30jähriger Krieg 1632 - 1648, zweite Hälfte

  • Taktik

Montag, 07. Mai 2015

INFANTERIE

Bataillon mit 3 "Divisionen", links und rechts die Schützen, im Zentrum die Pikeniere (aus technischen Gründen nur 3 Reihen tief)

Vom Gewalthaufen zum Bataillon

Nachdem die Schweden mit ihrem Einfall ins Deutsche Reich auch eine neue Form der Schlachtführung mitgebracht haben, die vor allem auf höhere Feuerkraft und größere Beweglichkeit setzt, endet die Zeit der „Tercios“, der großen „Gewalthaufen“. Auch das schwedische Taktik-Model ist, nachdem sich die ersten Niederlagen einstellen, im Schwinden begriffen. Spätestens seit 1636 setzt sich das „niederländische Modell“ durch (benannt nach dem niederländischen Aufstand gegen Spanien, dem sogenannten 80-jährigen Krieg), breitet sich in ganz Europa aus (sogar Rußland übernimmt es in Teilen) und bestimmt den gesamten Rest des 17. Jahrhunderts. Im wesentlichen besteht dies aus Bataillonen (die aber noch lange nicht dem Bataillon späterer Zeiten entsprechen), welche wiederum in drei Teile, den sogenannten „Divisionen“ (wörtlich „Teil“), gegliedert sind. Diese Klein-Einheiten nennt man auch Peloton, woraus das englische „Platoon“ bis in die heutige Zeit erhalten geblieben ist. Wenn man bedenkt, daß die alten Schweizer Gewalthaufen der Landsknechtszeit bis zu zehntausend Mann umfaßt haben und die nächsten hundert Jahre bestimmenden spanischen Tercios noch über bis zu dreitausend Soldaten verfügten, so erkennt man, daß die Bataillone mit 250 bis 600 Köpfen ganz neue Beweglichkeit und taktische Möglichkeiten bedeuten.

 

Bataillon mit 2 "Divisionen", nur theoretische Gegenüberstellung: Pikeniere mit Fahnenblock in der Mitte, Schützen mit Trommler

Schlachtaufstellung

Ein Bataillon umfaßt immer noch Musketiere und Pikeniere, aber die Anzahl der Spießträger zu den Schützen hat sich auf ein Drittel verringert. In der mittleren Division stehen die Pikeniere, und die Musketiere nehmen die beiden Außen-Teile ein. Alle drei sind mehr oder minder gleich stark. Diese Bataillone marschieren in der Schlacht nebeneinander auf, zwischen den Bataillonen befinden sich Lücken (die Linearordnung der späteren Kriege, in der über viele Kilometer fast geschlossene Reihen aufmarschieren, ist noch nicht entwickelt), und diese vergrößern sich, sobald die Bataillone sich zum Angriff (auf ein Infanterie-Bataillon) oder zur Verteidigung (gegen einen Kavallerie-Angriff) formieren.



Im Feuergefecht

Beim Feuern stehen die Schützen meist 6, später 4 Reihen tief, und die Pikeniere befinden sich in der Regel hinter der letzten Reihe. Da der Schußwechsel im Laufe des Krieges immer größere Bedeutung gewinnt, vollzieht auch das „Geschieß’“ mehrere Wandlungen.

 

Bild links: Gliederfeuer einer "Division", 1. Reihe feuert, 2.-4. Reihe unterschiedliche Stufen des Ladevorgangs, 5.-6. Reihe Wiedereingereiht nach Feuern.

Gliederfeuer

Dies ist die ältere der beiden Feuerformen, und sie besteht darin, daß „batailonsweise“ Reihe nach Reihe Feuer gibt und dann zur Seite nach hinten abtritt, um der nächsten Reihe Platz zu machen. Anfangs der zweiten Hälfte des 30-jährigen Krieges verhält es sich noch so, daß zwischen den einzelnen Musketiergliedern genug Platz bleibt, damit der Schütze aus der vorstehenden Reihe durch die Gasse zu seiner Rechten nach hinten entschwinden kann (die Schweden unter Gustav Adolph handhaben das noch so). Diese Methode hat sich nicht bewährt, weil die Schützen zu weit auseinanderstehen, um viel Wirkung erzielen zu können. Schützen müssen damals (wie noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein) eng und in Mengen zusammenstehen, um dem Feind größeren Schaden zuzufügen. Gleichwohl stößt man immer wieder einmal auf diese Form, zumindest immer dann, wo in nennenswerter Anzahl Musketen mit Gabelstanden vorhanden sind.

 

Pelotonfeuer

Später taucht das Pelotonfeuer auf, in dem jede „Division“ für sich abdrückt, und zwar in zwei Etappen, zunächst die ersten drei Reihen, danach die letzten drei. Dabei kniet die erste Reihe, die zweite beugt sich vor, und die dritte steht aufrecht. Vor allem bei MARS findet man eine ganze Reihe Figuren, mit denen sich so etwas nachstellen läßt. Dazu rückt das Peloton (zusammen mit seinem Bataillon natürlich), ziemlich nahe an den Feind heran, bis auf 60 oder sogar 30 Meter, und stürmt dann mit den Pikenieren in den verwirrten Feind. Es gibt sogar Fälle, in denen das gesamte Peloton auf einmal geschossen hat („Salvenfeuer“), der Erfolg blieb aber ein Glücksspiel, denn die Schußwaffen waren immer noch zu ungenau, und wenn beim Gegner nicht genug Schaden angerichtet worden war, hatte der daraufhin genügend Zeit, in aller Ruhe zu zielen und besser zu treffen. Was die Entfernung überhaupt angeht, nach einem damals gängigen Spruch könne man, sobald es über 100 Meter ging, „genauso gut den Mond anschießen.“ Und von Darstellern der Napoleonischen Kriege erfährt man, daß ein Treffer auf 80 Meter nicht viel mehr als eine Gehirnerschütterung oder einen schmerzhaften blauen Fleck auslöste.

Die Musketen waren leichter geworden und bedurften keiner Stützgabel mehr, das heißt, sie konnten jetzt auch im Knien geladen und abgefeuert werden. Das ermöglichte eine Erhöhung der Feuerkraft, weil nun mehrere Reihen gleichzeitig schießen konnten, und damit verbunden eine Ausdünnung und Ausdehnung der Schützenhaufen. Bis allerdings die drei Reihen daraus geworden waren, wie wir sie aus den Kriegen des „Alten Fritz“ kennen, darüber mußten erst noch hundert Jahre vergehen.

Das Gliederfeuer bleibt die Regel, das Pelotonfeuer hat noch bis Ende des Jahrhunderts Zeit, allgemeingültig zu werden, aber nicht für lange.

 

 

Bild links: Pikeniere gegen Infanterie

Im Nahkampf schieben sich die Pikeniere vor die Musketiere (Reihe 1-3 vor den linken, Reihe 4-6 vor den rechten Flügel). 1. Reihe Musketiete schiebt sich dann vor die Pikeniere, entweder zum Feuern im Knien, oder zum Nahkampf gegen anrückende Piken.

Nahkampf mit Pike

Der Fernkampf obliegt den Schützen, im Nahkampf ist die Pike die Hauptwaffe. Zum Nahkampf ziehen sich die drei Flügel eines „Bataillons“ zu einem großen zusammen, und zwar schiebt sich der linke Flügel der Schützen vor die Pikeniere und der rechte hinter sie (oder umgekehrt). Die Schützen begeben sich unter den Schutz der langen Stangen.

Wie schon zu Landknechts-Zeiten wendet der Spießer seine Stangenwaffe gegen Reiterei und Fußvolk unterschiedlich an. Mit beiden Händen ans hintere Ende gefaßt (oder auf Zweidrittelhöhe) marschiert er gegen den Feind. Die Schützen drehen ihre Waffen um und dreschen mit dem Gewehrkolben auf die Feinde ein, weswegen man ihre Waffen ja auch „Schießprügel“ nennt. Oder sie ziehen gleich ihr Schwert, unterlaufen die gegnerischen Stangen und stechen im Nahen auf den Feind ein.

 

Bild links: Pikeniere gegen Kavallerie

Im Nahkampf schieben sich die Pikeniere vor die Musketiere (Reihe 1-3 vor den linken, Reihe 4-6 vor den rechten Flügel). 1. Reihe Musketiete schiebt sich dann vor die Pikeniere, entweder zum Feuern im Knien, oder zum Nahkampf gegen anrückende Piken.

Gegen Kavallerie halten die Pikeniere ihren Spieß in Schräglage. Und zwar halten sie die Waffe mit der Linken und stützen sie am Boden mit dem Fuß ab, während die Rechte den Schwertgriff umschließt, um  notfalls mit dieser Waffe weitermachen zu können. Da ein Nahkampf mit „Schießprügeln“ gegen Reiter nicht sonderlich viel bewirkt, knien die Schützen in den Reihen vor den Pikenieren und feuern auf die Reiter, nämliches die hinteren Reihen im Stehen tun.

Die Verteidigung gegen Kavallerie-Angriffe kommt wesentlich häufiger vor, da die Reiterei immer noch als Haupt-Angriffswaffe angesehen wird. Die Schützen belassen es meist bei einem Feuer-Austausch, nicht allzu oft kommt es bei ihnen zum Nahkampf; der kann dann gelegentlich aber auch, mangels Piken (die, je mehr Jahre ins Land gehen, auch nicht mehr selbstverständlich und in ausreichender Menge vorhanden sind) mit gezogenem Schwert und viel Gebrüll vonstatten gehen.