Altertum
- Die Streitwagenvölker
Montag, 05. Juni 2017
Bild oben: Der ägptische Pharao (links) haut mal wieder die Hethiter zu Klump (aber wir erkennen Mitte rechts einen hethitischen Zweispänner).
2. Die Hethiter (1900-1100 v. Chr.)
Wie auch schon ihre „Vorläufer“, die Mitanni, stammen die Hethiter aus der südrussischen Steppe, dort wo die Indogermanen ihren Anfang genommen und vermutlich um 4000 v. Chr. ihre Wanderung begonnn haben, die bis etwa 1000 v. Chr. angehalten hat (Stichwort Iraner und mit ihnen verwandte Skythen). Nach Süden hin wird dieses Stammgebiet vom Kaukausus-Gebirge begrenzt, und genau dorthin, nämlich auf die andere Seite, hat es die Hethiter verschlagen. Und hier fangen die Probleme schon an: Wie sind die Hethiter nach Ober-Anatolien, also in den Norden der heutigen Türkei gelangt. Immerhin haben ihre Adligen sich gern im Streitwagen fahren lassen, und die sind für den Transport durch die Berge des Kaukasus nicht sehr geeignet.
Besonders in der englischsprachigen Geschichtswissenschaft wird daher der Standpunkt vertreten, die Hethiter
seien am Rand des Schwarzen Meeres entlang nach Westen, dann durch das heutige Rumänien und Bulgarien nach Süden und endlich über den Bosporus nach Kleinasien gelangt, wo sie sich dann
niedergelassen hätten. Ein ziemlich weiter und umständlicher Weg, möchte man meinen. Wenn man aber davon ausgeht, daß die hethitischen Vornehmen auch zu Fuß unterwegs waren, mag man ihnen den Weg
über den Kaukasus durchaus zumuten. Auf jeden Fall haben sie ihre Hauptstadt Hattusa im anatolischen Hochland errichtet, nicht gerade eine flache, ebene Gegend, offensichtlich waren ihnen bergige
Gegenden nicht furchtbar unangenehm.
Mag sein, mag nicht sein, eines Tages (irgendwann um 1900 v. Chr.) sind die Hethiter da und erweisen sich als typische Vetreter der Indogermanen: Mittels ihrer waffentechnischen Überlegenheit (Streitwagen) unterwerfen sie die Hatti, die vorgefundenen Eingeborenen, und schwingen sich zu ihrer Herrscherschicht auf (die späteren Germanen der Völkerwanderung haben es ganz genau so gemacht). Das heißt, sie sind ständig in der Minderheit, doch scheint es bei den Hatti nie zu größeren Aufständen gegen die neuen Herren gekommen zu sein. Ähnliches gilt für die Mitanni und auch für die arischen Veden, die die indischen Eingeborenen-Kulturen (Harappa) übernommen haben.
Bild links: Hethische Nahkämfer, die die Ausgräber zunächst für Götterdarstellungen
hielten
Großreich
Die Hethiter haben es nicht allein bei Hatti belassen, sondern sich ab 1450 mehrere große Reiche erschaffen, die zu den Supermächten ihrer Zeit gehört haben: Mitanni, Assyrien und Ägypten. Man unterscheidet das alte, das mittlere und das neue Reich, das man in Assyrien und Ägypten auch erlebt. Nur Mitanni hat Pech, sein Reich geht schon beim ersten Mal unter, trotz Rettungs- und Unterstützungsmaßnahmen durch die Hethiter. Die Assyrer, die besonders unter den Mitanni gelitten haben, einverleiben sich den Großteil dieses untergehenden Konkurrenten.
Die Hethiter haben es im Nordosten mit besonders unangenehmen Zeitgenossen zu tun, den Kaschkäern oder Kaskäern, wilden Bergvölkern, die immer wieder gern bei den Nachbarn auftauchen, um bei ihnen zu plündern. Bergvölker sind in ihrer natürlichen Umgebung nicht leicht zu fassen, und die Hethiter haben oftmals wenig Erfolg damit, die Räuber in ihren Bergnestern aufzuspüren. Das Problem ist allgegenwärtig, schon die Akkader (Sumerer) werden von den Bergvölkern der Gutäer zu Fall gebracht, und selbst die militärisch so ungeheuer fortgeschrittenen Assyrer haben ihre liebe Not mit den Bergmenschen.
Im Süden stoßen die Hethiter an mächtige Reiche, das mittelassyrische, mit dem man aber relativ friedlich zusammenlebt (Assyrien hat vordringlich mit Mitanni und seinem eigenen südlichen Nachbarn, Babylon, zu tun) und das ägyptische Neue Reich. Letzteres soll sich zu einem der Hauptfeinde der Hethiter entwickeln, was sich leicht erklären läßt, beide wollen Syrien (die gesamte Ostküste südlich des Libanon) für sich und führen darum einen Krieg nach dem anderen.
Bild links: Hethitische Spione werden von ägyptischen Soldaten geschlagen (das meiste, was wir über die Hethiter wissen, stammt von den Ägyptern).
Hier kommt es auch zur berühmten Schlacht von Kadesch (im Grenzgebiet zwischen den beiden Einflußsphären), die der ägyptische Pharao mit großem Propagandaaufwand als seinen Sieg feiern läßt. Die Altertums-Geschichtsforschung hat sich dieser Auffassung auch bedenkenlos angeschlossen (wie auch der blühenden Phantasie der griechischen oder der stark parteiischen Darstellung der römischen Geschichtsschreiber) und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galt Kadesch als wohldokumenierte Schlachtdarstellung. Erst dann kamen Zweifel, und bald ging man von einer Schlacht aus, bei der es keinen eindeutigen Sieger gegeben hat. Und heute glaubt man an eine schwere Niederlage des Pharao – so etwas konnte er zuhause natürlich nicht bekanntwerden lassen. Wie dem auch sei, nach Kadesch wurde der Krieg noch 20 Jahre lang weitergeführt, und die Ägypter hatten genug damit zu tun, die Grenze zu halten, gar nicht zu reden davon, ins Feindesland vorzustoßen.
Damit zum Westen, wo an der Westküste Kleinasiens gleich mehrere kleinere Staaten von den Hethitern bedrängt worden sind. Am wichtigsten darunter: Ahhiyawa in der Mitte der Westküste und Wilusa am Nordende. Ersteres hat die Wissenschaft als hethitisch für „Achäer“ identifiziert, also als (mykenisch-)griechische Pflanzstädte in Kleinasien, wie wir sie auch aus späteren Jahrhunderten kennen, und hinter Wilusa verbirgt sich Troja. Beide Gebiete werden zeitweise, aber nicht dauerhaft von den Hethitern besetzt.
Bild oben: Das hethitische Großreich
Militär
Streitwagen werden nur von der hethitischen Oberschicht gefahren. Der König ist, wie im späteren europäischen Mittelalter, Lehnsgeber, und die einzelnen hethitischen Edlen sind seine Lehensnehmer. Zum Lohn dafür müssen sie für Feldzüge und andere militärische Unternehmungen zur Verfügung stehen. Das System ist längst noch nicht so ausgefeilt wie zweieinhalbtausend Jahre später in Europa, aber die Ansätze sind schon da. Das gemeine Volk stellt die Fußsoldaten, Speerwerfer, Bogenschützen und Schleuderer zumeist. Während die hethitischen Streitwagenritter schon als Knaben auf ihre Aufgabe vorbereitet werden, erhalten die Bauernsoldaten keine besondere Ausbildung. Der Umgang mit der Waffe wird ihnen im Feldlager von den älteren Kameraden beigebracht. Wenn die Hethiter im Gebirge unterwegs sind, nehmen sie Sichelschwert und Dolch mit, hier kam es öfter zu Nahkämpfen, und die gepanzerten Ritter sind dann gewiß auch abgestiegen. Zu den Einheitsstärken, bei der hethitischen Infanterie gilt das Prinzip des Dezimalsystems, die kleinste Einheit umfaßt 10, die nächstgrößere 100 und die größte 1000 Mann.
Drei militärtechnische Neuerungen sind den Hethitern zuzuschreiben:
Die Hethiter unterhalten eine Infanterietruppe, die man lange lediglich für die Leibgarde des Königs gehalten hat. Aber ihre Bewaffnung ist für den Nahkampf gedacht, sie sind ungepanzert, also schnell und beweglich, und vermutlich haben die Äxte, insofern sie aus Stahl gewesen sind, ihnen dabei gedient, bei einem Streitwagen-Gefecht mitten ins Getümmel zu laufen und dem Gegner Schaden zuzufügen, um sich danach wieder zurückzuziehen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Streitwagenläufern, die mehrere Armeen mit sich führten, im wesentlichen Leichtbewaffnete, die zu Fuß mit den Streitwagen mitgelaufen und damit beauftragt sind, die Überlebenden eines verunglückten oder beschädigten feindlichen Streitwagens zu erledigen.
Bild links: Trojaner
Sie haben das Eisen, beziehungsweise den Stahl eingeführt. Anfangs sieht man sich in Anatolien nur in der Lage, kleine Figürchen zu Dekorationszwecken aus Eisen anzufertigen, doch daraus wird im Lauf der Zeit mehr. Die Hethiter versehen den Speer mit Stahlspitzen, und damit kann es kein Bronzespeer, wie ihn die Nachbarn benutzen, aufnehmen. (Stahlschwerter und Stahlrüstung setzen aber erst die Seevölker in großen Mengen ein, und denen verdanken die Hethiter schließlich ihren Untergang).
Stahlschmiede haben in jenen Zeiten einen ganz besonderen Ruf genossen, gelten als Geheimwissenschaftler und werden scharf bewacht, mitunter sogar verstümmelt, um sie an der Flucht zu hindern. Im Sagengut finden sich einige Belege dafür. In Wieland der Schmied wird derselbe von seinem König mehr oder weniger gefangengehalten, und weil der Herrscher dennoch befürchtet, der Schmied könne entfliehen und seine Kunst einem anderen Fürsten anbieten, läßt er ihm die Fuß- und Kniesehnen durchtrennen. Eine drastische Methode, sein Geheimnis zu bewahren. Der griechische Gott der Schmiedekunst, Hephaistos, ist übrigens an den Beinen gelähmt und bleibt Zeit seines Lebens Hinker. Wir kommen an anderer Stelle auf die Welt der Sagen zurück, in denen so manches steckt, was noch nicht in einem Geschichtsbuch geschrieben stehen konnte.
Bild links: Hethitische Streitwagen
Die dritte waffentechnische Neuerung ist der schwere Streitwagen. Um nicht falsch verstanden zu werden, die Hethiter kennen auch den traditionllen leichten
Streitwagen. Während die Mitanni und die Hauptfeinde der Hethiter, die Ägypter, möglichst leichte Streitwagen konstruiert haben, bei denen die Achse ganz am Ende des Korbs angebracht ist, wodurch
sich hohe Geschwindigkeit und Wendigkeit erzielen lassen, haben die Hethiter die Achse in die Mitte des Korbs vorgeschoben, was Abstriche bei Geschwindigkeit und Wendigkeit mit sich bringt. Dafür
aber kann der Wagen damit drei Personen tragen: Lenker, Bogenschütze und Speerwerfer oder Schildträger. Die leichteren ägyptischen Wagen mit ihrer zweiköpfigen Besatzung können den schwereren
hethitschen davonfahren oder sie ausmanövrieren. Bald gehen sie dazu über, möglichst nahe an die Hethiter heranzufahren, einen Pfeil abzufeuern, der sein Ziel kaum verfehlen kann, und dann wieder
abzudrehen. Die Hethiter wehren sich bald mit langen Lanzen (wir haben keine Längenangaben gefunden, eine einzige Quelle spricht von 1,80m oder 6 Fuß was uns doch als recht kurz erscheinen will).
Der schwere Streitwagen ist erst von den Assyrern „wiederentdeckt“ worden, und da sie bekanntlich alles neu gemacht haben, haben sie bis zu vier Mann auf seinen Streitwagen gesetzt.
Bild links: Hethtisches Fußvolk
Fantasy
Fast alles, was wir heute über die Hethiter wissen, stammt nicht aus ihren Quellen. Haupt-Informant ist Ägypten, und das ist die längste Zeit mit dem Reich aus dem Norden verfeindet. Was „berichtet“ man über seine Feinde – möglichst nur Negatives (so ähnlich wie die Westpresse heute bei Präsident Trump). Ähnliche Beispiele gibt es in der Geschichte zuhauf. Unsere Kenntnisse über Sparta zum Beispiel stammen aus Athen, zwei Stadtstaaten, die sich im Peloponnesischen Krieg beinahe gegenseitig ausradiert hätten.
Die hethitischen Streitwagenfahrer trugen das glatte Haar lang, haben keinen Bart, und ihre Gewänder sind knöchellang. Kurzum, man hat sie gern als Weiber geschmäht. Griechische Geschichtsschreiber haben immer schon gern ihre Geschichten ausgeschmückt (aus den Skythen, die sie nur als beritten geschildert bekommen haben, die Zentauren gemacht), und so gibt es dank ihrer eine gängige Meinung, daß es sich bei den Amazonen in Wahrheit um die Hethiter gehandelt habe. Immerhin. In Homers „Trojanischem Krieg“ (eher eine Sage als ein Epos) kommen die Amazonen den Trojanern zu Hilfe, als diese nach dem Tode ihres Helden Hektor in schwere Bedrängnis geraten. Und in der Theseus-Sage findet sich eine Stelle, nach der die Amazonen einst Athen erobert hätten. Warum sollten die wilden Weiber ihre anatolischen Berge verlassen und so weit laufen? Dann doch wohl schon eher die Hethiter, die mit den Achäern ja noch die eine oder andere Rechnung zu begleichen hatten.
Ein Wort auch in eigener Sache. Wir haben einige Anfragen bekommen, ob man das alles, was wir hier schreiben, denn auch so stehenlassen könne.
Ja, wir gestehen, wir haben so manches vereinfacht. Für jede unserer Aussagen finden sich zehn Gegenmeinungen, wie es überhaupt mit der heutigen Geschichtsschreibung ein Kreuz ist. Verlaßt euch
drauf, wir versuchen, das Altertum einigermaßen verständlich darzustellen und einen Anreiz zu schaffen, sich auch einmal an einer solchen Schlacht zu versuchen. Und wo wir schon dabei sind, wir
können hier leider keine Schlachten-Geschichte über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren vorlegen. Wenn euch eine Epoche besonders interessiert, das Internet bietet eine Fülle von
Anregungen.
Vorhandene Figuren
CAESAR hat zwei Sätze Hethiter auf dem Markt, Fußvolk und Streitwagen. Damit haben wir die Grundausstattung beisammen. Es fehlen allerdings die Nahkämpfer, und bei der Streitwagenbesatzung hält einer eine lediglich knapp zwei Meter lange Lanze. Leider haben auch die beiden Streitwagen in der Streitwagen-Packung die Achse in der Mitte angebracht, sie sollen also schwere Wagen darstellen.
Von CAESAR gibt es auch einen Satz trojanisches Fußvolk, das einen ganz brauchbaren Eindruck macht. Vielleicht vermißt jetzt der eine oder andere trojanische Streitwagen, aber die scheinen zu dieser Zeit (rund um 1200 v. Chr.) wieder im Schwinden begriffen zu sein. Allenfalls lassen sich die besseren Herren mit dem Streitwagen, wie mit einem Taxi, zum Schlachtfeld befördern.
Die anderen Figuren der als Feinde in Frage kommenden Mächte (Mykener-Minoer und Ägypter) behandeln wir in den folgenden Kapiteln und dann natürlich auch die Seevölker.
Freitag, 17. März 2017
Zeitsprung
Leider läßt das magere und vor allem lückenhafte Angebot an Figuren des Altertums keine gleichmäßig chronologische Darstellung zu, so daß wir jetzt einen Sprung über einige hundert Jahren bewältigen müssen. Nur kurz zusammengefaßt. Die Sumerer sind untergegangen und tauchen auch nicht wieder auf. Ihre Nachfolger, sogenannte „Sumerische Nachfolgestaaten“, prügeln sich genauso untereinander wie ihre Vorfahren, setzen aber nur Fußvolk ein, das sich mit Sichelschwert, Äxt, Wurfspeer und Pfeil und Bogen bekämpft.
Gleichzeitig strömt die nächste Semitenwelle nach Mesopotamien, die Amurriter oder Amoriter. Bei den Sumerern hießen sie Martu, bei den Akkadern Amurrum. Sie kommen von südlich des Zweistromlandes und übernehmen nach und nach die alten und neuen sumerischen Städte von innen, das heißt, sie lassen sich zunächst als Hilfsarbeiter anheuern, gelangen dann in Militär und Sicherungskräfte, nehmen schließlich mittlere Posten in der Verwaltung ein und stehen endlich an der Spitze des Landes. Diese Stadtstaaten haben bald überhaupt gar nichts Sumerisches mehr an sich, und so spielen neue Namen eine Rolle: Alt-Babylon, Alt-Assur und so weiter. Das Alte Babylon ist übrigens die Stadt, die Hammurabi hervorbringt, der in der ersten Hälfte des 18. vorchristlichen Jahrhunderts herrscht, die berühmte Gesetzes-Stele errichten läßt und sich ein großes Reich zusammenerobert.
Alt-Assur ist noch nicht so kriegerisch wie in späteren Jahrhunderten und legt eigentlich auf Fernhandel großen Wert. Beide Staaten (und ihre Konkurrenten) gehen unter, als neue Invasoren die Bühne betreten, im Südosten die Kassiten (in Bergvolk aus dem Zagros), die Babylon überrennen und für einigen Jahrhunderte den Südteil des Zweistromlandes beherrschen. Vor allem aber bestimmen nun die Streitwagenvölker im Norden die politischen Geschicke, und die bewirken eine militärtechnologische Revolution.
Bild links: alte Streitwagendarstellung; der Wagen wird von zwei Pferden gezogen und hat Speichenräder
Streitwagen
Noch während der Sumererzeit waren die von Wildeseln gezogenen, klobigen und langsamen Streitwagen wieder aufgegeben worden. Doch dann, wir sprechen von den frühen Jahrhunderten des 2. Jahrtausends, am ehesten um 1800 v. Chr., tauchen die Gefährte wieder auf, diesmal aber von Pferden gezogen, viel leichter als die Vorgänger und mit Speichenrädern versehen.
Mittlerweile, das heißt, schon einiges früher, hat man es verstanden, das Pferd nutzbar und zum Haustier zu machen. Irgendwann hat man es dann auch verstanden, Pferde vor einen Wagen anzuschirren und diesen zu ziehen, und so gegen 2000 vor unserer Zeitrechnung hat man es gelernt, diese Pferdewagen militärisch zu nutzen.
Nun sind Pferde Steppenbewohner, die dort ihre Nahrung finden und sich auf dem flachen Land bestens bewegen können. Daher verwundert es wenig, daß die Steppenvölker schon früh versucht haben, sich auch das Pferd dienstbar zu machen. Um 2000 v. Chr. machen sich diese Völkerschaften dann auf die Wanderschaft, vermutlich weil die Kopfzahl dieser Nomaden zu groß geworden war. Sie lassen sich dort nieder, wo sie auf günstige Bedingungen stoßen. Daher dauert diese Wanderung auch ziemlich lange und vollzieht sich in mehreren Wellen. Sie stellen fest, daß ihre Streitwagen jeden Feind besiegen und fangen an, nicht nur nach neuem Weideland zu suchen, sondern auch bereits besiedelte Gebiete zu erobern.
Bild links: angeblich hethischer Streitwagen auf der Tierjagd
Die Indogermanen
Diese Steppenvölker sind kein einiges Volk, sondern eine Ansammlung von Stämmen und Sippen im selben Gebiet (Südrußland über
Schwarzen und vom Kaspischen Meer), die allerdings dieselbe Sprache sprechen. Die Stämme erreichen auf der einen Seite West-, Mittel- und Südosteuropa, auf der anderen dringen sie bis Indien und
sogar Nordchina vor, wie die sogenannten Tocharer-Mumien zu belegen scheinen (Tote mit westeuropäischen Gesichtszügen, heller Haut und zum Teil roten Haaren). Um all diese Stämme unter einem
Namen zusammenzufassen, hat man sie „Indogermanen“ genannt (von Indien bis Germanen). Dieser Name wird aber immer mal wieder als politisch inkorrekt angesehen und abgeändert in Indoarier,
Indoeuropäer und dergleichen, mittlerweile scheinen die Indogermanen aber wieder hoffähig geworden zu sein. Wir bleiben also dabei und halten uns nicht lange mit Gutmenschentum auf.
Wichtiger für uns ist, daß die Indogermanen auch nach Süden ziehen, ob gleich über den Kaukasus oder über einen Umweg, sie gelangen jedenfalls in mehreren Etappen nach Nord-Mesopotamien und Anatolien. Offenbar sind sie nicht übermäßig zahlreich, aber dank ihrer Streitwagen waffentechnich überlegen. So unterwerfen sie die vorgefundenen Völker und machen sie sich untertan, um als Oberschicht über sie zu herrschen. Sozusagen als Adel. Im wesentlichen sind dies die Mitanni, die auf die Hurri oder Hurriter stoßen, einem Bergvolk, das sich in Nordmesopotamien breitgemacht hat, und etwas später die Hethiter, die sich über die Hatti im heutigen Anatolien zu Herrschern aufschwingen.
Mitanni
Ihre Streitwagenführer heißen Marijannu, und nach diesen bildet sich in allen Streitwagenvölkern – nicht nur den
indogermanischen, sondern auch den einheimischen, die sich diese Technik zu eigen machen, wie Assyrer oder Ägypter – eine eigene „Ritterschicht“ heraus. Marijannu sind gepanzerte
Streitwagenführer, die mit Speer und Bogen von ihrem Wagen aus dem Feind zusetzen. Während der Wagen selbst möglichst leicht gebaut ist, um Schnelligkeit zu ermöglichen, tragen der Marijannu und
sein Wagenlenker den einzigen Schutz am Körper, einen Panzer nämlich, bestehend aus bis zu 500 Bronzeplättchen, die man auf ein langes Hemd aufgenäht hat.
Die Firma CAESAR hat einen Satz Mitanni-Marijannu veröffentlicht, der rundum zufriedenstellt (was wir nicht leichten Herzens über alle Erzeugnisse diese Firma behaupten können). Die Packung enthält zwei Streitwagen, zwei Wagenlenker und 8 Marijannu zur Auswahl; die Figuren mit Schild bereiten uns etwas Unbehagen.
Bislang fehlt das Fußvolk, wir können nur hoffen.
Leider ist über die Geschichte Mitannis wenig bekannt, weil dieses Volk nur sehr wenige schriftliche Zeugnisse hinterlassen hat. Das meiste, was wir über sie erfahren, stammt aus ägyptischen Quellen, und die sind überaus parteiisch und oft verfälschend. Unsere Historie ist leider voll von solchen Beispielen: Was wir über das griechische Sparta wissen und sie in einem schlechten Licht dastehen läßt, stammt von seinem Todfeind Athen. Und auch, wie die sich „Qualitätspresse“ (Eigendarstellung) heute über Putin und Rußland verbreitet, entstammt ja eher der Propaganda als der Wahrhaftigkeit.
Der gottgleiche Pharao kann sich natürlich keine Niederlage leisten, das ist eines Gottes nicht würdig, und so werden Niederlagen gern in Siege umgemünzt (das bekannteste Beispiel ist die Schlacht bei Kadesch gegen die Hethiter). Wie dem auch sei, die Mitanni erobern sich ein Reich, das aber, wie die meisten altorientalischen Reiche auf Dauer keinen Bestand hat. Sie müssen sich gegen die (bald wieder aufsteigenden) Assyrer im Südosten und Osten, die Ägypter im Süden und die Hethiter im Norden zur Wehr setzen, was anfangs auch problemlos gelingt, aber im Laufe der Zeit immer mehr an den Kräften zehrt und schließlich zum Zusammenbruch führt. Die Mitanni unterliegen schließlich den Assyrern, die sich ihrer beharrlich erwehren, nachdem sie vor Zeiten von diesen Invasoren unterworfen worden sind.
Bild links: Zeichnung nach einem Felsbild, vermutlich syrischer oder kanaanitischer Fürst kehrt siegreich aus einer Schlacht zurück und bringt Gefangene mit; daß diese nackt sind, eigt vermutlich ihren neuen Status an. Der letzte Mann in der Reihe trägt ein Sichelschwert
Streitwagentaktik
Streitwagen im Alten Orient sind nicht mit der Kavallerie der Römer oder gar der Neuzeit vergleichbar, sie fahren vielmehr aufeinander zu, beharken sich im Vorbeifahren mit Speeren und Pfeilen, rollen aus und wenden, um erneut anzugreifen. Und so geht das hin und her, bis eine Seite zu starke Verluste erlitten hat oder aus anderen Gründen die Flucht ergreift. Dabei gehen sie auch nicht als geschlossene Formation vor, sondern suchen sich als Einzelkämpfer wie unsere mittelalterlichen Ritter ihr individuelles Ziel. Kein Wunder, daß eine Streitwagenschlacht viel Platz benötigt.
Fußvolk haben die Streitwagen-Armeen auch, und das steht während der Schlacht im festen Block da, möglichst ohne sich zu weit von der Stelle zu bewegen. Sie dienen vor allem den eigenen Streitwagen als Unterstützung. Hinter dem Infanterie-Block, der gegen den Feind wie ein Schild wirkt, können sich die Streitwagen neu formieren oder überhaupt wieder sammeln, um dann erneut in die Schlacht zu fahren. Kommt der Feind dem Fußvolk aus Unachtsamkeit oder während einer Verfolgung zu nahe, schießt dieses mit Pfeil und Boden oder wirft Speere auf ihn.
Dies gilt vor allem für den Orient. Weiter westlich, also vom mykenischen Griechenland bis zu den Kelten, dienen Streitwagen eher als Beförderungsmittel, will sagen, der Fürst oder Edle fährt in die Schlacht, statt schnöde zu Fuß zu laufen, und steigt ab, wenn er dort angekommen ist. Von vielen Völkern, wie zum Beispiel den Germanen, den Römern, den Slawen oder den Balten, sind keine Streitwagen bekannt. Die Perser und die Inder haben sie aber gern eingesetzt und bis kurz vor der Zeitenwende genutzt. Die französischen und belgischen Kelten hatten sie gerade abgeschafft, als Caesar über die gekommen ist, lediglich auf der britannischen Insel sind sie zu der Zeit noch in Gebrauch. Überall hat die Reiterei die Nachfolge angetreten, ein Mann auf einem Pferd ist eben wendiger und „geländegängiger“ als ein Streitwagen.
Videoausschnitt aus dem Streifen „Die 10 Gebote“. Normalerweise würden wir keine Hollywood Historien-Schinken anpreisen, aber der Regisseur Cecil B. de Mille hat sich hier besonders viel Mühe gegeben und Streitwagen original nachgebaut. Wir erkennen, wieviel Platz sie benötigt haben. Lediglich an Yul Brynners Aufmachung darf man sich nicht stören
Nachbemerkung
Im nächsten Teil sehen wir uns die indogermanischen Hethiter an, es folgen die Ägypter des Neuen Reiches und schließlich die Seevölker, die vemutlich den ersten Weltkrieg des Altertums ausgelöst haben.
Im Englischen wird das Altertum gern „Biblical“, also biblisches Zeitalter genannt, eine Bezeichnung, die wir ablehnen müssen. Zum einen ist die Bibel kein exaktes historisches Werk, sondern eine sehr parteiische Geschichte des hebräischen Volkes mit etlichen Beschönigungen und einigen dreisten Fälschungen. Zum anderen tauchen Völker wie die Mitanni, die Hethiter oder gar die Sumerer fast überhaupt nicht darin auf.