Mittwoch, 24. Januer 2018
Bild oben:
Szene aus den Kriegen gegen die Schweizer, die sehr schönverdeutlicht, welch geringe Chancen Ritter gegen Schweizer Gewalthaufen
hatten
Vorbemerkung:
RED BOX hat bereits mehrere Sätze zu den Burgunderkriegen herausgebracht, die Schweizer Pikeniere und Gefolge sind ja schon etwas länger auf dem Markt. Ebenso die Sätze zu den englischen Rosenkriegen (vor allem die Reiterei und die Söldner vom Festlandseuropa), und nicht zu vergessen das breite Angebot von MINI ART. Die werden zwar nicht mehr hergestellt, aber jeder Händler hat noch ein paar Schachteln hiervon und davon in der Ecke stehen. Und so schlecht, wie die Kollegen von Plastic Soldier Revue sie machen, sind sie nun wirklich nicht. Worauf also noch lange warten, greifen wir zu und wagen wir einen Blick über den Tellerrand.
Bild links: Verwaltungsgliederung des Herrschaftsgebietes Karls des Kühnen (Quelle:
Wikipedia)
Die Burgunderherzöge
1363 verlieh der französische König Johann der Gute seinem jüngsten Sohn Philip dem Kühnen das Herzogtum Burgund als Kronlehen
(die Vorbesitzer waren 1361 im Mannesstamm ausgestorben, wie es in der Fachsprache heißt, es gab also keinen männlichen Erben; in solchen Fällen fällt das Lehen an die Krone zurück, und der König
kann es neu verleihen). Damit gelangte das Herzogtum an die Königsfamilie Valois, und daraus entstand die Seitenlinie der Burgunder Valois. Das Herzogtum blieb Lehnsfürstentum der französischen
Krone. Vier Herzöge hat die Valois-Seitenlinie hervorgebracht, und diese Fürsten haben es verstanden, aus ihrem anfangs zerstückelten Gebiet eine europäische Mittelmacht zu
schmieden.
Dabei sind sie nicht nur vornehm zurückhaltend vorgegangen. Es dauert nicht lange, bis sie mit dem französischen König über
Kreuz liegen, ja, sie streben selbst nach der Krone. Doch da haben sie Rechnung ohne die verschiedenen Ludwige gemacht, die zu dieser Zeit auf dem Thron in Paris sitzen. Vor allem der XI. dieses
Namens, den man hinter vorgehaltener Hand auch „die Spinne“ nennt, ist ein ganzes Stück intriganter und hinterhältiger als seine Burgunder Gegenspieler. Die vor allem unter dem letzten Herzog,
Karl dem Kühnen, bestehende innige Feindschaft zwischen den beiden verwandten Häusern, ist nicht ohne Grund entstanden. Beide Seiten haben vor Meuchelmord und anderen Dingen nicht
zurückgeschreckt, und es waren beispielsweise die Burgunder, die im 100-jährigen Krieg offen zu den Engländern gehalten und diesen die heilige Jungfrau, Johanna von Orleans, ausgeliefert
haben.
Die Burgunder Herzöge häufen sagenhaften Reichtum an (sie besitzen unter anderem die flandrischen Städte), und
dem letzten unter ihnen, Karl dem Kühnen, gelingt es eine grandiose Armee aufzubauen. Mit ihr stürzt er sich von einem Krieg in den nächsten („Burgunderkriege“ 1474-1477), verliert aber fast alle
Schlachten und kommt in der letzten, der bei Nancy, ums Leben. Das Lehen sollte jetzt eigentlich an die französische Krone zurückfallen. Aber Karl hat eine Tochter zurückgelassen, die dem Sohn
des deutschen Kaisers versprochen ist, dem späteren deutschen Kaiser Maximilian. Beide sind die besten Partien Europas. Also wird verhandelt und konferiert, bis die „Spinne“ einen schweren
strategischen Fehler begeht. Ludwig XI. dauert das alles viel zu lange, und außerdem erkennt er, daß seine Chancen auf den Rückerhalt Burgunds nicht allzu gut stehen. So besetzt er große Teile
des Herzogtums und gliedert sie Frankreich ein. Maximilian (die Tochter Karls stirbt bereits 1478) erhält so den Rest Burgunds, vornehmlich den nördlichen Teil des Fürstentums, den wir heute im
wesentlichen als die Benelux-Staaten kennen.
Bild links: Darstellung des kaiserlichen Heerlagers vor Neuss im Hausbuch Wolfegg (um 1480).
Karls Armee
Es gibt viele Geschichts-Gelehrte, vor allem im englischsprachigen Raum, die halten das burgundische Heer der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts für das beste seiner Zeit. Wir möchten uns dem nicht vorbehaltlos anschließen. Diese angebliche Supertruppe und vor allem ihre Kavallerie hat sich schließlich regelmäßig von der Schweizer Infanterie niedermachen lassen und kann schon allein von daher so überlegen nicht gewesen sein. Auch bei der Belagerung von Neuss hat sich der Burgunder nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und letztendlich hat der sinnlose Tod Karls den Untergang seines Herzogtums bewirkt.
Seine Kavallerie war eine Ritter-Reiterei, und vielleicht wirklich die am besten ausgerüstete Rittertruppe ihrer Epoche, aber
die Zeit der Ritterkampfweise war Ende des 15. Jahrhunderts, also mitten in der Renaissance, längst vergangen. Schon Anfang des 16. Jahrhunderts verwandeln sich die einzelkämpferischen
Ritterreiter ins geschlossen und taktisch vorgehenden Reiterverbände. Geschwader oder Kavallerieregimenter wären mit Rittern undenkbar gewesen.
Ebenso hat es Karl nicht verstanden, eine schlagkräftige Fußtruppe aufzubauen, obwohl die doch gegen die Schweizer dringend
Not getan hätte. Er war noch zu sehr dem Denken des Mittelalters verhaftet, in dem die Fußknechte nur zur Unterstützung der Elite, der Reiter, dienten.
Aber Karl hat die Artillerie modernisiert, sie zu beweglichen Geschützen umgewandelt, während bis dahin die lose transportierten Rohre erst an Ort und Stelle auf erst zu diesem Anlaß zusammengebauten Holzgestellen gelegt wurden. Karl verdanken wir also die Einführung der Lafette.
Bild links: Gemälde von der Belagerung
Belagerung von Neuss
Wohlan denn, der Erzbischof von Köln liegt mit dem Kölner Domkapitel (sozusagen der Vorstand der Kathedrale) im Streit; es
geht natürlich darum, wer mehr zu sagen hat. Erzbischof Ruprecht von der Pfalz wird schließlich vom Domkapitel abgesetzt (ja, das dürfen die Kapitelherren, die Domkapitulare), an seiner Stelle
ernennt man Herrmann von Hessen zum „Stiftsverweser“ (zum vorübergehenden Chef). Dumm gelaufen für Ruprecht, oder? Aber nein, der versteht sich nämlich bestens mit Herzog Karl dem Kühnen und
ernennt ihn zum – erblichen – Vogt/Verwalter des Erzbistums. Das kommt Karl sehr gelegen, denn die Nachtbargebiete rings um das Erzbistum gehören ihm bereits, da würde Köln diese Ecke seines
Reiches wunderbar abrunden. Karl bricht mit seiner Armee auf, rund 23 000 Personen, davon etwas über 19 000 Kampffähige (s.u.).
Sein erstes Ziel heißt Neuss (Köln, mit seinen 40 000 Einwohnern eine der größten Städte Europas, vermag er mit seiner Armee
nicht direkt anzugreifen, da will er erst einmal alle Hindernisse im Umland aus dem Weg räumen). Herrmann von Hessen übernimmt die Verteidigung der Festung Neuss und bringt knapp 2000 hessische
Soldaten mit. (darunter 70 Ritter, 300 nichtadlige Panzerreiter und leichte Reiterei und 1500 Fußknechte – Bogenschützen, Spießträger, ein paar Gewehrschützen und andere Nahkämpfer). Neuss hat zu
dieser Zeit etwa 5000 Einwohner, zieht man Kinder, Alte und Frauen davon ab, bleiben gut 2000 wehrfähige Männer. Herrmann von Hessen verfügt damit über ungefähr 4000 Mann.
Im Reich sieht man den Kriegsgrund für gegeben, denn Burgund ist kein Bestandteil des Deutschen Reiches, somit erfolgt ein Angriff eines ausländischen Feindes. Der deutsche Kaiser kann nicht einfach einen Krieg erklären, denn dann stünde er ohne Reichsheer da; das kann nur zusammengerufen werden, wenn dem Reich eine äußere Gefahr droht (um es noch komplizierter zu machen: der burgundische Herzog ist sehr wohl Lehensnehmer des deutschen Kaisers, aber nur für bestimmte Territorien, jedoch nicht für Burgund als Ganzes).
Das Reichsheer, zu dem eigentlich alle deutschen Reichsfürsten ihr Soll leisten sollen (was sie aber nicht alle tun, weil sie
gerade andere Sorgen haben), braucht sehr lange, bis es zusammentritt und endlich aufbricht. Ende des Jahres 1474 erreicht man die Südgrenze des Erzbistums, genauer das Städtchen Andernach, das
Karl der Kühne bei seinem Anmarsch auf Neuss hatte erobern müssen. Die deutschen Truppen verjagen nun die burgundische Garnison und überwintern hier. Im März (!!!) erreicht man Köln, im Mai zieht
man von dort aus weiter nach Neuss (heute auf der Autobahn eine Strecke von einer knappen halben Stunde). Das Reichsheer errichtet sein Lager gerade außer Schußweite vom burgundischen. In den
folgenden Tagen kommt es zu ersten Gefechten und Scharmützeln, schließlich stellen sich beide Here diesseits und jenseits des Flusses Erft auf. Die Schlacht geht unentschieden aus, dennoch zieht
sich Karl mit seinen Truppen zurück.
Man hat Kaiser Friedrich III. oft vorgeworfen, ein Zauderer und Zögerer, ein Mann von geringer Entschlußkraft und ein schlechter Militär gewesen zu sein. Aber könnten ihn bei seinem Marsch auf Neuss nicht auch andere Gründe bewogen haben, nichts zu überstürzen? Gerade erst 1473 hatte er sich mit Karl auf den Ehebund ihrer Kinder verständigt, warum denn da den Schwiegervater in spe womöglich abschrecken?
Bild links: Darstellung des kaiserlichen Heerlagers vor Neuss im Hausbuch Wolfegg (um 1480)
Armeestärken
Burgunder
Nach der „Cronica van der hilliger Stat va(n) Coelle(n)“ fanden sich in der Armee Karls des Kühnen folgende Einheiten:
Balduin von Lannaw mit 800 Reitern und 700 Kriegsknechten
Reymer von Broichhusen mit 700 Reitern und 300 Kriegsknechten
Lombarden (Italiener) mit insgesamt 3000 Reitern und Kriegsknechten
Der Herr von Montfort und der Herr von Allcyn mit insgesamt 700 Reitern und 600 Kriegsknechten
Engländer mit insgesamt 2000 Reitern und Kriegsknechten
Büchsenmeister mit ihren Knechten, insgesamt 200 Mann
Troßknechte und anderes Lagervolk, 2000 Personen
1000 Frauen (keineswegs nur Damen aus dem Gunstgewerbe, sondern auch Wäscherinnen, Schneiderinnen, Marketenderinnen und Ehefrauen)
400 Geistliche
Neuss siehe oben.
Über das deutsche Reichsheer haben wir wenig verläßliche Zahlen gefunden, von Mondzahlen (100 000) bis zum Anderthalbfachen der Burgunder. Die Wahrheit dürfte, wie so oft, in der Mitte liegen.