Burgunderkriege
Schlachten
Belagerung von Neuss 1474-75
Schlachtbericht


Donnerstag, 01. Februar 2018

Bild links: Feldartillerie


Peinlich,

 

peinlich, peinlich … da hat sich in der letzten Folge eine falsche Jahreszahl eingeschlichen, und auch noch in der Überschrift. Die Belagerung von Neuss hat natürlich 1474-75 stattgefunden.

 

Schön,

 

schön, schön … das mit dem „türkischen Einschub“ (Parkany und Slankamen) hat gut geklappt. Ihr, die Leser habt es Euch so gewünscht, und deswegen wollen wir es jetzt auch so fortführen: Eine neue Schlacht wird, wie zuvor, drei Folgen haben, die erscheinen aber gleich hintereinander und ohne auseinandergezerrt zu werden. Das bedeutet aber auch, daß wir in den nächsten Wochen auch noch ein paar Nachzügler einschieben wollen.

 

Bild links: Burgundische Infanterie

 

Schlachtbericht: Sehr zu empfehlen: Dr. Jens Metzdorf (Stadtarchiv Neuss) „Bedrängnis, Angst und große Mühsal - Die Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen 1474/751“; da haben wir uns auch dran orientiert.

 

Vorspiel Andernach

 

Andernach am Rhein bildet die südlichen Eckfestung des Kölner Erzbistums. Im Streit um Erzbischof Ruprecht steht Andernach auf der Seite Hermann von Hessens. Karl der Kühne erreicht mit seinem Heer die Stadt, vor der man die Erdbefestigung Kripp errichtet hat. Hier stehen 150 Schützen. Die Burgunder fahren Artillerie auf, ein Geschoß trifft das Pulvermagazin, und die Explosion tötet fast alle Schützen.

 

„Lanze“

 

Zu jener Zeit eine Truppeneinheit, bestehend aus einem Ritter und mehreren Waffenknechten: immer dabei 1 Bogenschütze und ein Armbrustschütze, es können aber auch mehrere Bogenschützen und Männer mit Stangen- oder Nahkampfwaffen darunter sein; in der Schlacht werden die Männer gemäß ihrer Waffengattung zusammengefaßt. Leider erfährt man selten Genaueres. 200 „Lanzen“ können also 600-1000 Mann umfassen.

 

Bild links: Ergänzung zur Infanterie

Neuss

 

Neuss ist – nach Köln – die am stärksten befestigte Stadt des Erzstiftes Köln. Die Stadtmauer hat man durch weitere Anlagen verstärkt. Vor ihr ziehen sich zwei Gräben und ein vorgelagerter befestigter Wal dahin. Hinzu kommen vier ausgebaute Haupttore und weitere Mauertürme. Die Anlage ist an manchen Stellen 50 Meter breit.

 

Am 29. Juli fangen die Burgunder an, Neuss einzuschließen und greifen mit 6000 Mann (3000 Engländer und 3000 Italiener, vor allem die Engländer erleiden im Artillerieabwehrfeuer hohe Verluste) die Haupttore an. Den Angriff, wie auch weitere, können die Verteidiger abwehren.

 

Karl der Kühne macht nun ernst. Neuss liegt an der Erft, und die Burgunder leiten den Fluß um, womit die Wasserversorgung der Stadt eingeschränkt ist. Die Erft fließt danach, auch heute noch, bei Grimmlinghausen in den Rhein. Im Rhein liegt auch die Insel Waid, die von Schiffen angelaufen wird, um Neuss mit Vorräten zu versorgen. Zwei Versuche des Herzogs, die Insel einzunehmen, schlagen fehl, dann, Mitte August, können die Picardiens und Lombarden die Insel besetzen.

 

Der Belagerungsring ist erst Mitte August abgeschlossen. Vor den Stadttoren, wo sich, wie bei den meisten Belagerungen des Mittelalters, die Hauptkämpfe abspielen, lassen sich die Burgunder verstärkt nieder. Vor dem Rheintor stehen die Truppen aus der Lombardei (Oberitalien) unter dem Grafen Campo Basso, etwa 1000 Mann (Ritter und deren Waffenträger (Ordonanzen); sie verfügen über zwei große und eine kleine Bombarde nebst einigen Feldgeschützen. - Vor dem Niedertor steht Jacques Galeotto mit 200 „Lanzen“ aus Italien, 200 Langbögen, 50 Mann aus Piemont (westliches Norditalien) und etlichen Geschützen. In deren Nähe beziehen auch folgende Stellung: Bernhard von Ravestain mit 100 „Lanzen“, 300 Bogenschützen und 300 Waffenknechten (Stangen- und Nahkampfwaffen). Ebenso Ritter Broekhuizen mit 200 Büchsenschützen aus Geldern (Gewehre kommen fast immer aus Städten). – Vor dem Zolltor hat sich Baudoin (Balduin) von Lannoy mit 300 „Lanzen“, 300 Bogenschützen und 300 Waffenknechten in Stellung gebracht. Zwischen ihm und dem Obertor lagern Lancelot von Berlaimont (50 „Lanzen“ und 200 Bogenschützen) und Marbais, Landvogt von Brabant, mit 400 Fußknechten - Pikeniere, Büchsenschützen und Bogenschützen.  – Am Obertor finde man Karl den Kühnen mit 200 „Lanzen“, 600 Bogenschützen und 600 Mann aus Burgund, dem wallonischen Hennegau und der nordfranzösischen Pikardie. Hier befinden sich weitere Geschütze. – In anderen Quellen finden wir auch noch 2000 Engländer, 3000 Mann aus der Pikardie, 1000 Mann aus dem wallonischen Lüttich und 1400 Reitern und Fußknechten aus Geldern.

 

Bild links: Ritter

Nachdem man sich also von Belagererseite eingerichtet und Schanzen und Laufgräben errichtet hat, beginnt am 10. September der erste Großangriff. In den Wochen zuvor gehen immer wieder schwere Bombardements („Bombarde“) über Stadt nieder. Danach stürmt man gegen zwei Tore (Rheintor und Obertor) gleichzeitig an, und die Neusser müssen auch den letzten Mann aufbieten, um diese Angriffe abzuwehren. Fünf Stunden dauern die Kämpfe an, und das Rheintor erleidet schwere Schäden. In den folgenden Monaten kommt es noch 60mal zu solchen Großangriffen. Und bei denen geht es hin und her. Sind die Burgunder abgeschlagen, unternehmen die Neusser einen Ausfall, nehmen Gefangene und zerstören Gerät und Zelte der Belagerer. Selbst Frauen und Kinder helfen an den Wällen mit. Sie schaffen Material für Reparaturen an beschädigten Befestigungen herbei oder werfen auf die Angreifer Steine, brennenden Kalk, heißes Wasser, siedendes Pech und Gülle (in manchen Quellen als „heiße Fäkalien“ bezeichnet) hinab.

 

Kehren wir zu den Ausfällen der Belagerer zurück. Ein Nürnberger Chronist berichtet: „ … Sie kamen heraus und hatten (ihre) Geschütze (auf den Wällen und Mauern) folgendermaßen gerichtet: Wenn das Belagererheer sie wollte angreifen, zogen sie sich zur Stadt zurück“, um den Feind in den Feuerbereich ihrer Kanonen zu locken. „Als dann die Kanonen losgingen … und sich das (Burgunder-)Heer wieder umwandte, um dem Beschuß zu entgehen, stürmten die Neusser zu einem anderen Tor wieder hinaus und schlugen von hinten auf den Feind los.“ Bei einer solchen Gelegenheit können sie dem Herzog 3000 Mann Verluste beibringen.“ Karl der Kühne läßt ein „Bollwerk“ und mehr errichten, das die Stadtmauer überragt, so daß man von oben nach Neuss hineinschießen kann. Die Verteidiger schleichen sich hinaus und bringen alle an den Bauten beteiligen Zimmerleute um.

 

Später wird eine Rampe gebaut, die Karl ans Rheintor schieben will. Doch die erweist sich als zu kurz, was, wie der Chronist berichtet, „auf den Mauern für großes Gelächter sorgt.“

 

Bild links: Belagerungsartillerie

 

Am 11. November kommt es wieder zu einem großen Angriff. Die Neusser lassen die Burgunder über den ersten Wall steigen. Während sich die Angreifer unten sammeln müssen, werden sie von den Verteidigern beschossen und im Nahkampf niedergemacht. 300 Mann verliert der Herzog dieses Mal.

 

Auch im Winter herrscht keine Ruhe. Die Belagerer versuchen, die Stadtmauern in Brand zu stecken, dann dreht sich der Wind, und den Burgundern fliegen die Funken ins Gesicht. Die Neusser nutzen die Verwirrung zu einem weiteren Ausfall.

 

Im Februar 1475 zieht der Herr von Arburg mit 1400 seiner Männer und 2000 Kölnern aus Köln herbei und richtet unter den Schiffen der Burgunder großen Schaden an. Während die Burgunder den neuen Feind abwehren, nutzen die Neusser die Gelegenheit zu einem Ausfall gegen das burgundische Lager. Nur dank des Eingreifens von Karls Leibgarde kann der Angriff hier abgewehrt werden.

 

Durch einen Überläufer erfahren die Neusser, daß am Rheintor eine Mine (Stollen) gegraben werden soll. Die Verteidiger graben einen Gegenstollen, und so kommt es auch unterirdisch zu Kämpfen, bis die Feinde aus der Mine vertrieben sind.

 

Inzwischen rückt der Kaiser mit dem Reichsheer heran. In der Nacht zum 22. März versucht der brandenburgische Markgraf Albrecht Achilles, den Neussern Verstärkung und Vorräte zu bringen. Zu diesem Zweck unternimmt er einige Scheinangriffe. Das Unternehmen scheitert jedoch, und so müssen die Neusser weiter ausharren.

 

Erst am 23. Mai langen die deutschen Entsatztruppen an. Es kommt zu einigen Scharmützeln, die aber keine Entscheidung bringen. Am folgenden Tag nehmen die beiden Armeen entlang der Erft Aufstellung. Die Burgunder dringen über eine Furt ans andere Ufer vor und greifen den linken deutschen Flügel an. Die Bogenschützen gehen im Verein mit Spießern vor und drängen die Deutschen zurück, und die italienischen Reiter des Grafen Campo Bossa verfolgen die Fliehenden bis zum Lager. Die Deutschen starten mit 3000 Reitern einen Gegenangriff, den die Lombarden aber parieren können. Daraufhin setzt sich der Bischof von Münster an die Spitze von 5000 Soldaten und drängt die Angreifer zurück. Karls Leibgarde greift ein, und es geht für die Deutschen wieder zurück. Sie stürmen aber erneut an, und so geht es hin und her, bis sich die Erft am Ende fest in deutscher Hand befindet. Herzog Karl erklärt sich zu einem Waffenstillstand bereit, womit die Belagerung von Neuss ihr Ende findet.

 

Leider findet sich keine Quelle, die eine detailliertere Schlachtdarstellung gibt. Die Verluste der Neusser betragen, je nach Quelle, zwischen 700 und 3000 Mann, die der Burgunder über 10 000.