Burgunderkriege

  • Taktik

Mittwoch, 04. Juli 2018

 Bild oben: Der Reiterei-Block

 

Burgunderkriege

Taktik Ende des XV. Jahrhunderts

 

Aber gern …

 

Einige Leser sind an uns herangetreten, ob wir nicht ein paar Hinweise auf oder eine Einführung in die Schlachttaktik der Burgunderkriege geben können. Wie üblich findet man auch hier in den Quellen keine eindeutigen Mehrheiten, die dieses oder jenes bestätigen. Und von der burgundischen Formation der abgesessenen Reiterei scheinen die meisten überhaupt noch nie gehört oder sie nicht begriffen zu haben. Doch es gibt davon Darstellungen, und die sind uns schlüssig erschienen. Dennoch geben wir diesen Artikel jetzt mit etwas Vorsicht weiter und wären wirklich dankbar, wenn man uns hülfe, diesen oder jenen Umstand zu korrigieren.

 

Bild oben: Der Block der abgestiegenen Reiterei


Einführung ins letzte Viertel des 15. Jahrhunderts

 

Das Mittelalter geht dem Ende zu, und wir erleben eine Zeit des Übergangs. Die schweren Reiter sind immer noch Ritter, die, sobald die beiden feindlichen Verbände aufeinanderprasseln, sich jeweils ihren eigenen Gegner suchen; das heißt, das Reitergefecht löst sich in Einzelkämpfe auf. Das Fußvolk ist immer noch zweite Wahl. Er setzt sich zusammen aus Stadtmiliz, ländlichem Aufgebot und eigens für den Feldzug angeworbenen Söldnern. Die Bauernsöhne haben kaum eine, die aus der Stadt immerhin eine gewisse Ausbildung, und die Söldner sind Berufssoldaten. Bislang stehen die Fußsoldaten hinter den Reitern und dienen nur dazu, den Rittern bei Notwendigkeit die Möglichkeit zu geben, sich hinter ihnen zu sammeln und neu zu formieren; ansonsten sollen sie verfolgende Feinde so lange aufhalten, bis die Ritter hinter ihnen wieder einsatzbereit sind.

 

Doch die Infanterie entwickelt sich, und es kommt zur Herausbildung von Waffengattungen und auch dazu, daß Fußvolk in der ersten Reihe steht. Daß aber Infanterie das Zentrum stellt, dazu kommt es erst im nächsten Jahrhundert. Beispiele, an denen man sich orientieren kann, gibt es viele. Die englischen Bogenschützen haben im zurückliegenden 100-jährigen Krieg mit Haufen oder Blöcken von sogenannten Langbogenschützen die französischen Ritter das Fürchten gelehrt, bis man die Schützen mit Kanonen zusammenschießen konnte.

 

Die Schweizer haben ihre ganze Armee auf einen großen Haufen von Pikenieren und Hellebardieren ausgerichtet, der alles überrennt, ehe auch er schließlich den Schußwaffen zum Opfer fällt.

 

Die meisten taktischen und waffentechnischen Neuerungen entwickeln sich in Frankreich, das schließlich (über) 100 Jahre Krieg hinter sich hat. England spielt hier keine Rolle, weil es gleich nach dem französischen Krieg in einen 30-jähigen Krieg zweiter Fürstenhäuser um den englischen Thron versinkt (Rosenkriege). Etwas ähnliches droht in Frankreich auch, die Burgunder sind drauf und dran, sich ebenfalls eine Königskrone aufs Haupt zu setzen, doch hier kommt alles ganz anders.

 

Da die taktische Entwicklung in beiden Ländern ähnlich verläuft, fassen wir Frankreich und Burgund hier zusammen. Die anderen Mächte, vor allem das Heilige Römische Reich unter Kaiser Friedrich III., hinken der Entwicklung etwas hinterher.

 

Bild links: Der Schützen-Block


Zu den einzelnen Waffengattungen:

 

Ordonnanz-Kompanien

 

In Frankreich werden sie erfunden und revolutionieren den Reiterkampf: die Ordonnanz-Kompanien. Selbige sind in sogenannte Lanzen unterteilt, die aus sechs Mann bestehen: 1 Panzerreiter, 3 berittene Schützen (Armbrust oder Bogen), 1 Knappe und 1 Page. 1 Ordonnanz-Kompanie setzt sich aus hundert Lanzen zusammen, zählt also 600 Mann. Bei ihrer Gründung gibt es 10 Ordonnanz-Kompanien, die ganze Reiterei umfaßt demnach 6000 Mann. Später wachsen die Lanzen auf 7 oder acht Mann an, die Anzahl der Ordonnanz-Kompanien auf 15.

 

In der Schlacht kämpfen die Lanzen natürlich nicht gemeinsam, sondern werden je nach Gattung zu eigenen Blöcken zusammengefaßt. Im ersten Treffen stehen die Ritter, die zumeist in einer langgezogenen Linie anreiten und angreifen. Ihnen folgen die zumeist gepanzerten berittenen Armbrustschützen (sie stellen bei vielen Fürsten die Leibgarde) und als dritte folgen die berittenen Bogenschützen. Das zweite Treffen dient dazu, Lücken in der gegnerischen Front auszuweiten (hinter ihren Rittern), das dritte Treffen hat die gleiche Aufgabe, reitet im Angriff aber auch gern an den Flanken mit, um ihren Rittern mit Pfeil und Bogen beizustehen.

 

Abgestiegene Kavallerie

 

Karl der Kühne, der letzte Burgunderherzog, hat seine Armee zur modernsten Europas entwickelt, allerdings auf den französischen Vorgaben fußend. Eine Besonderheit gab es jedoch: Karl verlangte von seinen Reitern, auch zu Fuß, also abgestiegen, in Formation kämpfen zu können. Dabei ist eine Truppe herausgekommen, wie es sie vermutlich nie wieder gegeben hat. Da man auch in den Quellen nicht allzu viel von ihnen liest, scheint diese abgesessene Reiterei kein allzu großer Erfolg gewesen zu sein.

 

Die Reiter steigen ab, wenn besondere Umstände (Bodenverhältnisse, feindliche Hindernisse etc.) dies erfordern. Sie kämpfen dann, wie beritten, in drei Reihen: In der ersten knien die Panzerreiter und halten schräg ihre Lanzen hoch. Hinter ihnen stehen die Armbrustschützen, und hinter diesen die Bogenschützen. Die Ritter in der ersten Reihe knien übrigens, damit die Schützen über sie zielen und hinwegschießen können.

 

Bild oben: Der Spießer-Block


Schützenblock

 

Durch Schaden klug geworden errichten die französischen Könige nach dem 100-jährigen Krieg eine Bogenschützen-Miliz, bei dem jedes Dorf ab einer gewissen Größe (kleinere Gemeinden werden zusammengefaßt) 1 Bogenschützen stellen und ausrüsten muß. Auf diese Weise entstehen die „franc archers“, eine Art Schützen-Bügerwehr mit einer Stärke von 16 000 Mann. Diese taugen allerdings nicht viel, weil sie zu selten Gelegenheit haben, gemeinsam zu üben.

 

Wesentlich besser aufgestellt und ausgestattet sind hingegen die Armbrusttruppen, von denen jede Stadt eine Kompanie oder Halbkompanie unterhält. Diese üben regelmäßig und sind deswegen auch zuverlässiger und erfolgreicher. Beide Schütengattungen stehen in eigenen Haufen (quadratische oder rechteckige Vierecke) auf dem Schlachtfeld, die Armbrustschützen im ersten, die Bogenschützen im zweiten Treffen.

 

Spießer

 

Die Söldner bringen ihre Spieße mit, und daraus formen sich dann Spießer-Haufen. Diese sind noch weit von den Schweizer Reisläufer-Haufen oder den Landsknechts-Haufen entfernt, lassen aber schon erahnen, was aus dieser Gattung wenige Jahrzehnte später werden wird. Davon abgesehen tragen sie nur lange Speere in den Kampf, aber noch keine richtigen Piken. Und sie sind auf sich gestellt viel zu schwach, um den Wall der Schweizer aufhalten zu können.

 

Aufgebot

 

Hinter den Reitern stehen weiterhin die Aufgebotssoldaten, von denen jeder seine eigene Waffe trägt. Bei so viel Vielfalt lohnt es sich nicht, nach Waffenart zu ordnen. So hat dieser Block an Kampfkraft auch wenig zu bieten und erfüllt weiterhin seine mittelalterliche Funktion.

 

 

Beim nächsten Mal der Schlachtbericht Héricourt.