Kleiner Nordischer Krieg 1655 - 1660
Montag, 09. November
2015
Video "Schlacht am gelbem Fluß" 1648
Seit dem 15. Jahrhundert steht das Gebiet der heutigen Ukraine unter der Oberherrschaft Polen-Litauens. Die Bewohner der Ukraine, die Kosaken, werden von ihren Fürsten und Gutsbesitzern
wirtschaftlich, religiös (die Kosaken sind orthodox, die Polen katholisch und deren Verwalter jüdisch) unterdrückt und ständig weiter in ihren Rechten beschnitten. Immer wieder kommt es zu
kosakischen Aufständen, die aber allesamt niedergeschlagen werden, bis 1648 Bogdan Chmelnjetzki (Bohdan Chmelnizki) zum Hetman (Hauptmann, militärischer Oberbefehlshaber) der Saporoger Kosaken
gewählt wird und den Großen Kosakenaufstand ausruft. Nach einigen Siegen über Polen gewinnen letztere die Oberhand, die Kosaken wenden sich an Rußland um Hilfe, und in der Folge bricht der Kleine
Nordische Krieg aus. Am Ende wird das Kosakenland zwischen Polen-Litauen und Rußland geteilt, Grenzfluß ist der Dnjepr.
Zur ersten großen Schlacht kam es vom 29. April bis zum 16. Mai 1648 bei Schowti Wody (zu deutsch „Gelbe Wasser“). In dem Film „Mit Feuer und Schwert“ wird die Schlacht thematisiert, bei You Tube findet sich ein Ausschnitt (https://www.youtube.com/watch?v=mD6UkzJs9h0) derselben. Die Dialoge sind in den jeweiligen Originalsprachen gehalten, es gibt aber englische Untertitel. Hier ein kommentierter Überblick:
00:35 Die Kosaken rücken an, sie sind mit den Krim-Tataren verbündet, von denen einige hier in ihren Reihen zu sehen sind (die Krim-Tataren sollten die Kosaken bei späteren Schlachten verraten und damit entscheidend zur Niederlage der Ukrainer beitragen).
00:45 Krim-Tataren
01:15 Kosakische Musikanten und Tänzer, woraus später die berühmten Kosaken-Tänze entstanden sind (solche Figuren enthält der Kosaken-Satz bei ORION).
02:15 Die Kosaken erreichen das polnische Lager. Unten zieht gleich die Elite der Polen auf, die Flügel-Husaren.
02:35 Der Hetman (der Herr zu Pferd im schweren Mantel und mit der Fellmütze) schickt seine recht Hand mit der kosakischen Infanterie zum Angriff, die Karren, aus denen man eine Wagenburg errichtet hat, werden beiseite geschoben, um die Kämpfer hinauszulassen. Die Kosaken haben zu jener Zeit meistens zu Fuß gekämpft, mit Lanze, Gewehr und Pistole. Zwischendurch wird die schwere Trommel geschlagen (zu finden auch in dem ZVESDA-Satz „Saporoger Kosaken“).
03:15 Die polnischen Husaren machen sich bereit, dem Angriff zu begegnen.
03:35 Angriff der Husaren.
03:50 Die kosakischen Schützen legen an. Feuer!
04:15 Die Kosaken bilden einen Lanzenwall.
04:30 Damit lassen sich die viel längeren Husaren-Lanzen natürlich nicht aufhalten, und die Kosaken fliehen in ihre Wagenburg zurück.
04:40 Hier legen die Schützen wieder an, auch unter den Wagen finden sie sich, und der Reiterangriff wird zurückgewiesen. Beachte die leichten Kanonen auf den Karren. Im weiteren beschwert sich der Tataren-Fürst Tohai Bei (polnisch: Togay Bey), daß man noch keine Beute und Gefangenen (Sklaven) gemacht habe, wie es den Tataren versprochen worden sei. Und es setzt Regen ein, „Sonne für die Kosaken, Regen für die Polen“, prophezeit der Hetman später.
06:15 Die Kosaken führen von nun an immer wieder Schein-Ausfälle aus ihrer Wagenburg durch, und die polnischen Husaren müssen die ganze Zeit über im Regen verharren, um die Kosaken nicht durchbrechen zu lassen.
07:50 Als die Sonne wieder scheint (nach zeitgenössischen Berichten erst knapp drei Wochen später), rücken die Kosaken zum echten Angriff aus.
08:05 Sie schieben ihre Karren mit den Kanonen voran vor.
08:25 Die Flügel-Husaren greifen an, ihre Pferde bleiben aber im Schlamm stecken. Sie sind nun eine leichte Beute für das kosakische Fußvolk (wird nicht im Bild dargestellt), welche danach das polnische Lager angreift und stürmt (auch dieser Kampf wird kaum gezeigt).
Kosakische Reiterei, die hier nur am Rande auftaucht, hat selten direkt in einer Feldschlacht eingegriffen. – Übrigens haben sich viele historische Historiker beschwert (obwohl es sich um einen polnischen Film handelt), die Flügel-Husaren kämen zu schlecht weg. Diese Elite-Truppe gilt vielen Polen etwas und steht immer noch in hohem Ansehen.
Donnerstag, 22. Juli 2015
Kosaken bewohnten und bewohnen die Ukraine. Historisch faßbar sind sie in etwa seit der Zeit nach dem Zusammenbruch
der mongolischen Oberherrschaft in Osteuropa. Gern verleibte sich Polen-Litauen ein Stück aus der Ukraine ein, auch das Osmanische Reich zögerte da nicht lange, und die Krim-Tataren führten
alljährlich Raubzüge in dieses Steppenland durch. Deswegen bekämpften die Kosaken mit Leidenschaft all diese Plagegeister, weniger aber die Russen, mit denen sie eigentlich immer recht gut
auskamen. Mitte des 17. Jahrhunderts, zu Anfang des Kleinen Nordischen Krieges, unterstellten sie sich dann auch den Russen und sind Moskau seitdem treu geblieben.
Saporoger Kosaken
Die Rede ist hier vor allem von den Saporoger Kosaken, und die haben zu ihrer Zeit die Hauptlast aller Kämpfe gegen die umliegenden Großmächte bestanden. (Ja, so heißen sie im Deutschen, auch wenn die meisten Plastiksoldaten-Händler sich keine Mühe mehr damit machen, das englische „Zaporzhian Cossacks“ in eben die „Saporoger Kosaken“ zu übersetzen – und wo wir gerade dabei sind, allein die Engländer schreiben Kosaken mit „ss“ und „ck“, was aber auch kaum einen Händler zu stören scheint.)
Bild links:
Wagenburg-Detail: Mehrere Wagen stehen hintereinander, der erste ist mit Ballast gefüllt, die Schützen stehen
dahinter (Kosaken-Karren sind eigentlich niedriger, so daß die Schützen dahinter auf dem Boden stehen und drüberschießen können. --- Wagen von MARS, Figuren von MARS, ORION, ZVESDA
Die Saporoger waren übrigens eher Fußgänger als Reiter, sie sind am liebsten mit Feuerwaffen in die Schlacht gezogen, und eine weitere Spezialität von ihnen waren die Spieße oder Halbpiken (halb so lang wie die „echten“ Piken). Im Kampf haben sie sich hinter ihren Wagen gegen die zumeist berittenen Feinde gewehrt. Das kann nicht verwundern, denn auch heute noch ist die Ukraine nicht eben dicht bevölkert. Ukraine bedeutet soviel wie Grenzgebiet und entspricht auch der mittelalterlichen Mark. Seine Bevökerung setzt sich aus entlaufenen russischen Bauern und Sklaven zusammen, aus Tataren oder Polen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, und aus anderen Menschen, die es vorzogen, in der Fremde ihr Glück zu suchen. Die Kosaken lebten in Gemeinschaften unter dem Befehl eines Hetmann oder Ataman zusammen, den sie auf Lebenszeit zu ihrem Führer wählten.
Uns steht ein einzigartiges Dokument über Land und Leute, aber auch über die Taktik der Kosaken aus dem 17. Jahrhundert zur Verfügung,: Die „Déscription de l’Ukraine“ ( „Beschreibung der Ukraine“) von Guillaume le Vasseur de Beauplan, einem französischen Vermessungs- und Festungsbau-Ingenieur in polnischen Diensten (1630-1647). Uns liegt eine englische Bearheitung dieses Textes von Steve Stinemetz vor
http://www.xenophon-mil.org/rushistory/rusmilhistbook/cossacks.htm
und aus der wollen wir uns jetzt bedienen:
Wagenburg-Detail: In der Lücke zwischen zwei Wagen steht 1 Kanone. --- Kanone von
ORION, Figuren von LW, MARS, ORION, ZVESDA
Kriegswagen
Als Fußgänger hat man es schwer, wenn die Feinde am liebsten beritten angreifen. Vielleicht deshalb die Vorliebe der Kosaken für Fernwaffen (Gewehre) und für ihren Geistesblitz, ihre Verteidigung einfach mitzunehmen. Genauer gesagt, ihre Tabors oder „Kriegswagen“. Diese sind den holzgepanzerten Fuhrwerken der Hussitenkriege nachempfunden und haben die Kosaken-Truppen auf ihren Zügen durch die ukrainische Steppe begleitet. Diese Wagen dienten auch als Lager, denn wie schon erwähnt, die Ukraine war nicht sehr dicht besiedelt, und wenn es auf die Nacht zuging, war man oft genug noch weit von der nächsten Stadt oder Siedlung entfernt.
Die Tabors fuhren in zwei langen Linien, und dazwischen marschierten die Kosaken. Acht bis zehn Wagen fuhren laut de Beauplan vorneweg, und genauso viele machten hinten dicht. Ihre Reiter hielten
sich in der Nähe der Wagen auf, und links, rechts, vorn wie hinten reitet in etwa 1500 Metern Entfernung ein Späher oder Wächter. Erblickt der Späher Tataren, gibt er ein Zeichen, und der
„Tabort“ (so nennt der Autor das wandernde Fort) bleibt stehen. Dann erwartet die Tataren eine böse Überraschung. Schläft der Späher, oder bemerkt er die Feinde zu spät, erwartet den Tabort eine
böse Überraschung (so bringt es de Beauplan auf den Punkt). War die Wagenburg gewarnt, erwies sie sich als äußerst wirkungsvoll. De Beauplan berichtet aus eigenem Erleben von einem Angriff von
500 Tataten, den er mit nur 50-60 Kosaken in einer Wagenburg abwehren konnte.
Wagenburg-Detail: Reiterei macht sich zum Ausfall bereit. --- Reiter von ORION und
ZVESDA
Gegen Polen-Litauen
Etwas anders sah die Sache im Kampf gegen die Polen-Litauer und da insbesondere gegen die polnischen Husaren aus (de Beauplan erlebte sie ebenfalls aus eigener Anschauung und hielt nicht viel von ihnen). Diese Lanzenreiter konnten in Formation jeden feindlichen Verband in der offenen Steppe niederreiten. Die Kosaken stellten einfach ihre Wagen in drei, mitunter bis zu fünf Reihen hintereinander auf und begrüßten die Husaren mit lebhaftem Dauerfeuer aus ihren Musketen. Beauplan lobt die Kosaken als sehr gute Schützen und meint, hundert von ihnen in einer solchen Wagenburg könnten es leicht mit 1000 Lanzenreitern aufnehmen. Sollte es den Polen aber gelingen, in eine solche Wagenburg einzubrechen, war es zumeist um die Verteidiger geschehen. De Beauplan war selbst bei der Schlacht bei Kumeyki (1637) dabei, als die Polen aufständische Kosaken niedermachten.
Bild links: Reiter im offenen Feld. Die Kosaken haben auch Pistolenschützen unter ihre
Dragoner gemischt. --- Reiter von MARS, ORION, ZVESDA
Angriff
Verständlich, daß die Kosaken lieber in der Verteidigung kämpften als selber angriffen. Wenn sie den Feind überraschen konnten, schlugen sie rasch zu, zogen sich danach blitzschnell in ihre Wagenburg zurück, um schließlich im Geschieße mit dem Gegner bessere Nerven und mehr Ausdauer zu beweisen. Die Kavallerie der Kosaken taugte nicht viel, wie de Beauplan beobachtete. Ihre Reiterei besaß zu wenig Disziplin, konnte folglich keine Bewegungen in Formation durchführen und besaß so gut wie keinen Schutz gegen die Lanzen der polnischen Husaren. De Beauplan wurde einmal Augenzeuge, wie 200 polnische Gepanzerte 2000 Kosaken-Reiter in die Flucht schlugen.
Infanterie im offenen Feld. Vorneweg die Spieße, gefolgt von Schützen und dahinter so, wie es
gerade kommt. --- Figuren von MARS, ORION, ZVESDA
Hinterhalt und Burgangriff
Dafür waren die Kosaken Meister des Hinterhalts. Im hohen Steppengras konnten sich ganze Regimenter unsichtbar machen, und besonders gern legten sie sich an bestimmten Fluß-Furten auf die Lauer, von denen sie wußten, daß die Tataren sich hier versammeln wollten, um den Wasserlauf zu überqueren. Die Tataren waren an diesen Stellen besonders auf der Hut und fürchteten die Fallen der Kosaken.
Ebenso
hielten es Kosaken mit befestigten Orten wie Burgen und dergleichen. Konnten sie selbige nehmen, indem sie den ahnungslosen Feind überraschten, gehörte der Sieg in der Regel ihnen. De Beauplan
war Augenzeuge, wie die Kosaken danach die gesamte Burgbesatzung niedermetzelten. – Gelang ihnen die Überraschung nicht, erwartete sie eine lange Belagerung, bei der sie nur auf ihre Kanonen
hoffen durften. Zur Erstürmung einer Burg mangelte es ihnen darüber hinaus an allem.
Artillerie
1580 kamen die Kosaken mit Kanonen in Berührung und erkannten rasch den Wert dieser Geräte. Sie eroberten eine Menge Geschütze von den Polen und Osmanen; gelegentlich bekamen sie auch eine Kanone von einem Fürsten geschenkt, dem sie gute Dienste erwiesen hatten. Kanonen vertrugen auch das eher grobe Schießpulver der Kosaken ohne Leistungsverlust. Mit Geschützen ließ sich im hohen Gras mehr Wirkung erzielen, mit ihren Musketen neigten die Kosaken in der offenen Steppe nämlich dazu, den Feind zu überschießen. Kanonen besaßen in der endlosen Steppe eine viel größere Reichweite. Mit Kanonen ließen sich die Mauern der polnischen Festungen durchlöchern, und mit Kanonen ließ sich im Wagenlager auch das Feuer feindlicher Geschütze begegnen. De Beauplan berichtet, daß die Kosaken sogar auf Erkundungsritten einige Kanonen mitnahmen, anscheinend kam man in der Steppe nicht ohne aus (er selbst folgte diesem Beispiel übrigens).