Kriege des Hoch-Barock, 1650 - 1700
Mittwoch, 04. September 2019
Bild links: Französiche Infanterie, Mars 72083
Vorbemerkung
Wir nehmen das Lob für das deutsche Wikipedia in der letzten Folge ausdrücklich zurück, es war vorschnell geäußert. Bei näherem Hinschauen besticht der dortige Schlachtbericht nur durch seine Kürze. Aber woanders sieht es ja nicht anders aus: Der Bericht im englischen Wikipedia stürzt von einem Begeisterungstaumel (daß englische Truppen bei den Franzosen mitmarschiert sind) in den nächsten (daß diese Engländer auch noch von John Churchill angeführt worden sind, dem späteren Duke of Marlborough und (Mit-) Sieger der Schlacht von Höchstedt). Und die französische Wikipedia-Seite regelt erst einmal die Kriegsschuldfrage neu, indem sie selbige dem Kaiser und seinen Unterlingen in die Schuhe schiebt. Merkwürdigerweise erwähnt weder die englische Seite den Kaiser als Kriegstreiber noch die die französische den Mr. Churchill. Das versöhnt uns ein klein wenig.
Bild links: Deutsche Infanterie, Mars 72076
Anmarsch
Die Bevölkerung von Straßburg (ebenfalls vom Sonnenkönig bedroht) hilft den deutschten Truppen, bei ihrer Stadt den Rhein zu überqueren, um in das weitgehend französisch besetzte Elsaß einzumar-schieren. Doch die Franzosen sind schon auf dem Weg. Bei Enzheim (auch Entzheim), 10 Kilometer südwestlich von Straßburg kommt es zum Treffen. Die Deutschen sammeln sich erst einmal zwischen Oberrhein und Vogesen und lassen sich auch sonst viel Zeit, während die Franzosen in Eilmärschen heranrücken.
Die Franzosen maschieren mit 22 000 Mann an, davon 12 000 Mann Fußvolk in 20 Bataillonen (600 Mann pro Bataillon) und 10 000 Reitern in 85 Eskadronen (knapp 120 Mann je Eskadron); dazu führen sie 20-30 Geschütze mit sich.
Ihnen gegenüber stehen 32 000 Deutsche, die in den meisten Quellen als Reichstruppen bezeichnet werden. Das wäre dann ein zusammengewürfelter Haufen aus den Reichskreisen, der sich kaum mit einer professionellen Streitmacht messen kann. Wir werden bei späteren Gelegenheiten starker auf die Problematik der Reichstruppen eingehen. Das englische Wikipedia vermutet bei ihnen noch weitere 20 000 Mann Brandenburger, und das erscheint uns völlig unglaubwürdig. Selbst ein Turenne hätte wohl kaum mit 22 000 Mann 52 000 Feinde angegriffen. Außerdem geht es dem französischen Marschall ja bei den Eilmärschen gerade darum, eine Vereinigung der Reichstruppen mit den Brandenburgern zu verhindern.
Sei es, wie es sei, die Deutschen haben 17 000 Mann Fußvolk in 27 Bataillonen (je gut 600 Mann) und 15 000 Reiter in 127 Eskadronen (je gut 120 Mann); hinzu kommen
50 Geschütze.
Bild links: Schwere Reiterei für beide Seiten, Waterloo 1815 - 033
Schlachtbericht
Als die Franzosen am Schlachtort eintreffen, stellen beide Seiten ihre Truppen in zwei Treffen auf, und zwar ganz klassisch die Infantrie im Zentrum und die Reiterei an den Flanken. Turenne, der französische Befehlshaber, stellt noch eine Kavallerie-Reserve hinter jedes Treffen. Außerdem füllt er die Lücken zwischen den Kavallerie-Schwadronen jeweils mit einem Peloton Musketiere (Peloton lebt im englischen “Platoon” fort und bedeutet so viel wie die Einheit Zug). Die Schwadronen stehen einige Meter auseinander, damit es beim Losreiten nicht zu einem heillosen Durcheinander kommt. Die Musketiere in den Lücken sind als böse Überraschung gedacht. Der Ort Enzheim liegt zwischen den beiden Armeen, vor dem deutschen Zentrum; östlich davon umwaldete Ebenenweinstöcke; vor dem deutschen linken Flügel steht der Kleine Wald, den Bournonville, der deutsche Oberbefehlshaber versäumt hat zu besetzen, was sich im Lauf der Schlacht als fatal erweisen wird.
Turenne erkennt sofort den Wert des Kleinen Waldes und schickt 8 Bataillone Infanterie dorthin, die von der deutschen Artillerie unter Dauerfeuer genommen werden.
General de Boufflers führt seine französischen Dragoner ebenfalls zum Kleinen Wald. Nur die französische Artillerie bleibt im Schlamm von den langen Regenfällen stecken und kommt nicht nach.
Bournonville schickt immer mehr Bataillone aus seinem zweiten Treffen und der Reserve an seinen linken Flügel. Turenne beordert zusätzliche drei Bataillone aus seinem Zentrum und die Reiterei von
seinem rechten Flügel zum Kleinen Wald und kann selbigen erobern, wird aber gleich von einem deutschen Gegenangriff wieder hinausgeworfen.
Bild links: Artillerie für beide Seiten, Mars 72092
Bournonville erkennt, wie geschwächt das französische Zentrum nach der Abgabe so vieler Truppen ist, und greift er mit seiner Kavallerie die Schwachstellen im französischen Zentrum an. Doch die 7 Bataillone der Franzosen lassen ihre Pikeniere aufmarschieren, und die Reiterei kommt dagegen nicht an. Weitere deutsche Eskadronen unter Caprara greifen den französischen linken Flügel an und dringen in die erste Linie ein, werden aber von der zweiten und den Reserven geworfen. Eine Weile geht es hin und her und scheint zu keinem Ergebnis zu führen.
Die Franzosen können schließlich in den Kleinen Wald eindringen, bleiben aber vor den deutschen Schanzen darin liegen. Bournonville, der erkennen muß, daß es
nirgendwo voran geht und er bereits 3-4000 Mann Verluste hat, befiehlt schließlich den Rückzug und marschiert ins Winterquartier nach Colmar. Turenne hat ähnlich viele Männer verloren, und seine
Truppen können nicht mehr. So zieht er sich nach Norden zurück.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Enzheim#/media/Datei:Schlacht_bei_Entzheim2.jpg
Plan der Schlacht bei Entzheim zwischen den Kaiserlichen und den Französischen Truppen im Jahr 1674 (gemeinfreie Handzeichnung)
Nachwort
Offiziell gilt die Schlacht von Entzheim als unentschieden. Aber man muß Turenne zugutehalten, daß er durch sein rasches Eingreifen verhindert hat, daß Bournonville
mit seiner Armee das Elsaß zurückeroben kann. Auf der anderen Seite ist Turenne durch die Schlacht zu geschwächt, um seinem Feind folgen zu können.
Beim nächsten Mal
Schauen wir uns das alles aus der Nähe an.