Kriege des Hoch-Barock, 1650 - 1700
Mittwoch, 09. Januar 2019
Bild oben: Friedrich Wilhelm führt sein Fußvolk auf Schlitten über das Kurische Haff von Bernhard Rode um 1783 (Die Schlittenfahrt hat so manchen Künstler inspiriert, wir haben uns hier für
das zeitnächste entschieden)
Quellen
Wir waren bei keiner der Schlachten auf dieser Seite dabei und sind deshalb auf das angewiesen, was andere darüber geschrieben haben. So richtig glücklich werden wir bei der Lektüre aber nur manchmal. Aber in diesem Fall sind wir bei Wikipedia auf den Tiefpunkt seriöser Berichterstattung gestoßen. Der anonyme Autor schreibt bei seinem „Gefecht bei Telschi“ über weite Teile wortwörtlich von Theodor Fontane ab („Wanderungen durch die Mark Brandenburg – Das Oderland – Jenseits der Oder – Tamsel I, und dort das Kapitel „Hans-Adam von Schöning“). Der unbekannt bleibende Abschreiber (oder Abschreiberin?) hält es noch nicht einmal für nötig, wenigstens einmal eine Anmerkung zu setzen, woraus er gerade abkupfert). Doch noch ist es ja nicht so weit, daß man ausschließlich auf Wikipedia angewiesen ist. Wir haben interessante Informationen in der pdf datei „Schlachtfelder in Ostpreußen“ gefunden (http://prussia.online/Data/Book/sc/schlachtfelder-in-ostpreussen-bearbeitet-von-aktiven-und-ehemaligen-offizieren-im-wehrkreis-i/Schlachtfelder_in_Ostpreussen.pdf ), der wir auch die Kartenskizze entnommen haben. Des weiteren waren hilfreich das „Memeler Dampfboot – Die Heimatzeitung aller Memelländer“, Ausgabe vom 20.November 1985 (erschienen in Oldenburg), ebenfalls eine pdf datei (http://memel.klavb.lt/MD/MD1985/MD1985_11.pdf) und „Das Ostpreußenblatt“ vom 3. Mai 1986 (erschienen in Hamburg) auch dies eine pdf datei (http://archiv.preussische-allgemeine.de/1986/1986_05_03_18.pdf) Bei den beiden letzten handelt es sich um identische Artikel.
Ein Blick auf die Karte:
Telschi liegt in der historischen Landschaft Samogitien zwischen Ostpreußen und Kurland. Heute nennt man das deutsch Schemaitien genannte Gebiet Niederlitauen, denn es gehört zur Baltenrepublik Litauen. Obwohl Samogitien es bis zum Herzogtum gebracht hat, gehört es doch immer schon zum Verband Litauens.
Bild links: Brandenburgischer Soldat und Schallmeienpfeiffer des Infanterieregiments „Kurfürstin Dorothea“ nach 1675 eines der besser (das heißt auch modischer) ausgestatteten Regimenter.
Wie alles kam …
1672 (-78) will der französische König, Ludwig XIV., sein Reich nach Norden ausdehnen und beginnt einen Krieg gegen die Niederlande (übrigens bereits den zweiten, der erste ist ihm nicht so ganz gelungen). Dieses Mal hat er Verbündete – England (wechselt allerdings 1678 die Seiten) und die deutschen Bistümer Köln und Münster; Schweden ist auch dabei, will aber nicht aktiv im Westen angreifen, sondern lieber Brandenburg-Preußen niederhalten, falls dieses Fürstentum auf Seiten der Frankreichgegner eingreifen sollte. Und das tut es dann auch, zusammen mit dem Deutschen Reich, Dänemark-Norwegen, Spanien und natürlich Holland. Die Motive der einzelnen Staaten sind unterschiedlich: Das Deutsche Reich hat mit Frankreich noch einige Rechnungen offen, Spanien befindet sich mit Frankreich im Grunde genommen seit dem 80-jährigen Krieg (1568-1648) dauerhaft im Krieg (nach dem Ende des 30-jährigen Krieges bekämpfen die beiden Mächte sich noch bis 1659, und danach immer wieder einmal), England will den holländischen Konkurrenten zur See ausschalten, Dänemark will es vor allem den Schweden heimzahlen, und Köln und Münster halten es als grenznahe Orte lieber mit der stärkeren Seite, eine Rechnung, die nur scheinbar immer aufgeht. Brandenburg schließlich ist das erste deutsche Fürstentum, das neben dem Kaiser eine eigene Außenpolitik betreibt, aber noch zur Verteidigung des Reiches verpflichtet ist. 1674 steigen Köln und Münster aus, ihrer beider Ausflug in eine eigene Politik hat ihnen nichts eingebracht. Brandenburg-Preußen ziehe sich ebenfalls vom Westen zurück, aus Geldmangel, wie englische Quellen noch heute argwöhnen, aber wohl eher, weil 1675 die Schweden in Brandenburg einfallen. Es kommt im Osten zu mehreren Schlachten, unter anderem der berühmten von Fehrbellin, und in nicht allzu langer Zeit schmeißt man die Eindringlinge wieder raus. Die Schweden sitzen vor allem in Pommern, das sie im 30-jährigen Krieg neben anderem erobert haben, und mittlerweile glaubt kein Mensch mehr, daß Gustav Adolph allein aus dem Grunde in Deutschland eingefallen ist, seinen Glaubensbrüdern zu Hilfe zu eilen (die Schweden sitzen übrigens noch im Siebenjährigen Krieg vor allem im Raum Stralsund und bereiten Friedrich dem Großen einige Kopfschmerzen).
Brandenburg hat durch eine geschickte Bündnispolitik im polnisch-schwedischen Krieg (1655-60), wir haben auf unserer Seite bereits die Schlacht bei Wojnicz
behandelt) Ostpreußen erworben und heißt seitdem Brandenburg-Preußen. Nachdem man also die Schweden nach Pommern zurückgejagt hat, fällt eine neue schwedische Armee 1678 in Ostpreußen ein. Die
Schweden haben ja ihren schönen Plan von einer Ostsee ringsum unter ihrer Herrschaft noch nicht aufgegeben und sitzen bis hinab nach Livland (in etwa das heutige Lettland). Zwischen Livland und
Ostpreußen breitet sich Litauen aus, das zu der Zeit mit Polen in Personalunion steht. Und die Ereignisse der Jahre 1678-79 wollen wir uns dieses Mal genauer ansehen:
Bild links: Brandenburgischer Hauptmann und Leutnant des Infanterieregiments „Kurfürstin Dorothea“ nach 1675.
Der zweite schwedische Einfall
Die Schweden dringen im Herbst über das neutrale Litauen in Ostpreußen ein und stoßen sofort auf das dort gelegene Tilsit vor. Die Schweden bringen unter ihrem
General Horn 12 000 Mann und 45 Kanonen mit (viele Quellen nennen 16 000 Mann, auch Theodor Fontane). An preußischen Truppen liegt nur die Bauernmiliz (die sogenannten Wybranzen) mit 3500 Mann im
Lande, die die kriegsgewohnten Schweden natürlich nicht aufhalten können und sich bis vor Königsberg zurückziehen. Wie noch vom 30-jährigen Krieg her bekannt, hat die Bevölkerung unter den
Schweden sehr zu leiden. Als nächstes wollen die Schweden die Festung Memel nehmen, doch die wehrt sich mit Herz und Verstand. Horn erkennt, daß er sich hier zu lange aufhalten wird und zieht
nach Heydekrug weiter. Sie nehmen auch Ragnit und Insterburg ein (Königsberg läge zwar mehr auf dem Weg, hat aber ebenfalls eine starke Garnison von 3000 brandenburgischen Soldaten). Inzwischen
ist aber Stralsund nach langer Belagerung von den Schweden erobert, und Friedrich Wilhelm, dem großen Kurfürsten, stehen mit einem Mal 9000 brandenburgische Soldaten und 34 Kanonen und 2
Haubitzen (Steilfeuergeschütze oder Mörser) zur Verfügung. Mit denen überschreitet er am 21. und 22. Januar die Weichsel. Die Schweden ziehen sich nun, als sie Nachricht vom Heranziehen einer
regulären Armee erhalten, langsam nach Norden zurück. Der Kurfürst plant, die Schweden spätestens an der Memel zu überholen und ihnen den Rückweg abzuschneiden. Zu diesem Zweck läßt er in
Königsberg 1200 Schlitten und 700 Pferde nebst dazugehöriger Verpflegung bereitstellen. Am 26. Januar erreicht man Königsberg. Hier vereinigt man sich mit den preußischen Truppen, und Friedrich
Wilhelm ordnet seine Truppen um: Um die Schweden nicht davonkommen zu lassen, wird unter Generalleutnant von Goertzke (Garnisonskommandant von Königsberg) ein Kavalleriekorps mit 5300 Mann
zusammengestellt: deren Vorhut zählt 800 Mann nebst 200 Dragonern und steht unter dem Befehl von Oberst Hennigs von Treffenfeld. Die Temperaturen fallen auf 26 Grad minus, und von nun an kommt es
fast täglich zu einem Gefecht. Die Infanterie setzt sich wieder auf die Schlitten und überquert auf ihnen das zugefrorene Kurische Haff (in mehreren anderen Quellen laufen sie zu Fuß über das
Eis).
Bild oben: Musketier und Soldaten vom Dreißigjährigen Krieg, Quell: Dějiny českých zemí, Josef Harna, Rudolf Fišer, 1995, ISBN - 80 - 7168 - 285 - 3, Mögliche Uniformen auf dem Schlachtfeld,
von denen hier bis zu denen darüber …
Die Verfolgungsjagd
Der Vorhut gelingt es am 30. Januar größere Teile der schwedischen Armee im Dorf Splitter (bei Tilsit) zu überfallen und nach kurzer Zeit den Sieg zu erringen. Die Vorhut treibt die Schweden aus ihren Quartieren, treibt ein Regiment Kürassiere und drei Regimenter Dragoner auseinander und bringt viele Gefangene ein. Sie erbeuten Fahnen, Pauken und Troßfahrzeuge. Die Hauptmacht der brandenburgischen-preußischen Reiterei braucht jedoch zu lange, und so ist an eine sofortige Verfolgung nicht zu denken. Täglich werden Boten zum Großen Kurfürsten geschickt, um ihn auf dem laufenden zu halten. So meldet ihm zum Beispiel Oberst Truchseß, die Brandenburger hätten keine Wegweiser nötig, um dem Feinde zu folgen, weil der ganze Weg mit toten Schweden bedeckt sei. »Viele kommen vor Kälte um, aber die meisten fallen von den Händen der Landesbewohner; die litauischen Bauern schlagen die Schweden mit Keulen tot und legen die Keulen alsdann auf den erschlagenen Körper.«
Bei Heydekrug können die Schweden aber noch einmal gestellt werden. Von Görtzke hat die Vorhut inzwischen übernommen. Ein heftiges Gefecht entwickelt sich, in dessen Verlauf die Brandenburger dem Feind den Weg nach Memel verlegen können. Die Schweden verlieren 1200 Tote und Verwundete, dazu 200 Gefangene. Horn und die Seinen ziehen noch am selben Tag bei Coadjuthen über die Memel nach Litauen ab. Über dieselbe Straße kommt am nächsten Tag die Vorhut des Kurfürsten und nimmt dem Feind nach kurzem Gefecht noch mehr Troß ab.
Friedrich Wilhelm hat inzwischen seine Infanterie auf die Schlitten gesetzt und von Labiau bis Heydekrug gefahren. Jetzt biegt er rasch nach Osten ab und gerät auf tiefverschneite Wege. Er kommt nicht mehr voran und muß die weitere Verfolgung der Reiterei überlassen. Aber Ostpreußen ist feindfrei. Der Kurfürst erhält von von Treffenfeld die Meldung, daß die Feind mehr laufe als marschiere und sich kaum noch eine Ruhepause gönne.
Man beschließt, den Gegner mit zwei verstärkten Kavallerie-Verbänden zu verfolgen. Die erste wie gehabt unter dem inzwischen beförderten Generalmajor von Treffenfeld mit 1000 Mann, die zweite unter Generalmajor von Schöning und 1000 Kürassieren mit 500 Dragonern.
Die erste Abteilung packt die neue Nachhut des Gegners bei Woynuta (Vainuta) und bringt ihm einige Verluste bei. Von Schöning folgt die Schweden über das Flüßchen Swingi, wo er sie um drei Geschütze und einen Mörser erleichtert. Bei Twargen (Tvverai) werden dem Feind zwei weitere Geschütze und 30 Munitionswagen abgenommen. Und bei Telschi stellen sich die Schweden noch einmal. Kümmerliche 3000 Mann sind Horn verblieben.
Bild oben: Bild från Hans Friedrich von Flemings bok ”Der vollkommene teutsche Soldat”,1726. http://news.cision.com/se/armemuseum/r/stred-din-forfader-i-slaget-vid-narva-,c2476997
Bei dieser Truppe dürfte es sich um eine Kompagnie handeln, rechts oben schließt sich die nächste Kompanie an und ist gerade mit Feuern beschäftigt. Dort kniet die erste Reihe und schießt,
während die zweite bis vierte ihre Muskete zum Abfeuern bereithält. Die Pelotons (Zug) bestehen aus zweiunddreißig Soldaten, nicht eingerechnet die Unteroffiziere und Offiziere, die sich hinter
den Linien aufhalten. Der Stich stammt zwar aus dem Jahre 1726, aber zwischen 1678 und 1726 hat sich nicht viel Grundlegendes geändert, außer daß sich früher in 6 Gliedern aufgestellt
wurde.
Telschi
Von Schönings Truppe nimmt folgende Aufstellung: die Reiterei in zwei Treffen in Front des Feindes, die Dragoner sitzen ab und begeben sich in ein links und rechts
gelegenes Gehölz, um im entscheidenden Momente die Schweden in beiden Flanken fassen zu können. Diese glückliche Terrainnutzung entscheidet über den Sieg. Oberst von Drewitz eröffnet den Angriff
und reitet einige Kompanien schwedischen Fußvolks über den Haufen; aber er bricht nicht ganz durch, und die Schweden ihrerseits treffen jetzt Anstalten, zum Angriff überzugehen. In diesem
Augenblick läßt von Schöning die Dragoner aufsitzen und sie von zwei Seiten her mit Ungestüm in die vorrückenden Schweden einbrechen. Ein Hauen und Stechen beginnt, und erst die hereinbrechende
Nacht setzt dem Kampf ein Ende. Keiner kann sich als wahrer Sieger fühlen, aber die Schweden ziehen sich in der Dunkelheit zurück und erklären sich dadurch für geschlagen. Die Verluste sind auf
beiden Seiten ungeheuer. Die schwedischen Offiziere haben, während des ganzen Kampfes, immer in langer Linie vor der Front ihrer eigenen Leute gefochten und schwere Verluste erlitten; und vom
schwedischen Leihregiment sind alle tot oder verwundet. An den zwei folgenden Tagen verfolgen die Reiter in kleinen Streifkorps die völlig geschlagene Armee Horns bis an die Grenze zum heutigen
Lettland.
Beim nächsten Mal
Suchen wir uns aus dieser wilden Verfolgungsjagd ein Szenario.