Kriege in Osteuropa
Donnerstag, 21. September 2017
Bild oben: Tapisserie de la série des Victoires de Charles V duc de Lorraine, aux armes de Léopold Ier duc de Lorraine et de son épouse Élisabeth-Charlotte d'Orléans, tissée pour Léopold Ier duc de Lorraine, à la manufacture de Nancy ou de La Malgrange.
Die Herren mit den Fellmützen sind polnische Reiter (links)
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:P%C3%A1rk%C3%A1ny-1683-10-9-gobelin.jpg
Warum Parkany (oder: Einführung)
MARS scheint wirklich damit ernstzumachen, eine Unterreihe mit dem Thema „Belagerung von Wien 1683“ auf dem Markt zu bringen und zu pflegen. Einige Artillerie-Sätze sind schon erschienen, und jetzt wird es ernst, österreichische Musketiere sind angekündigt und dürften in den nächsten Wochen erscheinen. Diese Musketiere schließen auf dem Gebiet der Uniformen die letzte große Lücke zwischen dem Jahr 1600 und 1725 und sind in ganz Mittel- und Westeuropa anzutreffen
Als nächstes die Tüfekschi, türkische leichte Schützen, den österreichischen Füsilieren nachempfunden. Längst vorbei sind die Zeiten, da wilde Horden und Scharen mit Speeren, Bögen und Nahkampfwaffen die Schlacht eröffnet haben, die Osmanen haben aus ihren Fehlern gelernt, aber nicht aus allen. Sie legen den Schwerpunkt ihrer Armeen nun auf Schützen zu Fuß. Die Anzahl der Janitscharen steigt sprunghaft (für Peterwardein 1717 werden uns von manchen Quellen bis zu 60 000 gemeldet), während die Anzahl der Lanzenreiter sich kaum mehr verändert und im Lauf des 17. Jahrhunderts auf 20 000 einpendelt; allerdings geht damit keineswegs eine Qualitätssteigerung einher, eher ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht schreiben wir noch einen siebenten Teil zur osmanischen Taktik Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts.
Bild oben: Schlacht von Párkány im Jahre 1683, Justus van den Nijpoort, 1694
1683 zieht der türkische Großwesir Kara Mustafa mit dem üblichen türkischen Riesenheer von etwa 150 000 Personen aus, endlich Wien zu erobern, mit dessen Belagerung man schon 1529 gescheitert ist. Die Ausdehnung des osmanischen Weltreiches (auf drei Erdteilen) ist bereits seit längerem mehr oder weniger zum Erliegen gekommen, und jetzt will man es einfach noch einmal wissen.
Wie aus der Geschichte bekannt, hat es auch mit der zweiten Belagerung Wiens nicht geklappt. Kara Mustafa, von einigen Historikern als eine Art strategische Knalltüte hingestellt, versäumt die grundlegenden Dinge, stellt rings um sein Lager keine Wachen und Schanzen auf und kann so von den polnischen Husaren im Rücken angegriffen werden. Das osmanische Heer stiebt auseinander, manche darunter – Tataren oder rumänische Verbündete – sind schon fort, noch ehe sie einen Schuß abgefeuert haben. Andere hingegen, die Janitscharen zum Beispiel, sind noch mitten in ihren Belagerungshandlungen, als die Sipahi schon längst von Polen und deutschen Kürassieren über den Haufen geritten werden. Kurzum, für unser Nachgestalten ist Wien 1683 nur mäßig geeignet.
Wer nicht auf und davon ist und noch kämpfen kann, sammelt sich in Parkany, und hier kommt es dann etwa einen Monat nach dem Ende der Zweiten Wiener Belagerung zur Schlacht von Parkan oder Parkany.
Die Türken sind nicht von allen Verbündeten verlassen, bei ihnen befindet sich Imre Thököly auch Tekeli), die mit 15 000 Mann dabei ist. Thölöly ist Fürst des im Vorjahr von den Türken eingerichteten Vasallenstaates “Oberungarn” (der größere Teil der heutigen Slowakei). Wir werden ihm in einer späteren Schlacht wiederbegegnen. Die Türken haben hier und im benachbarten Gran 50 000 Mann versammeln können (nicht eingerechnet die Oberungarn). Weitere liegen in anderen ungarischen Städten.
Polen und Deutsche ziehen nicht lange nach dem Sieg bei Wien weiter, denn vor allem der polnische König will den angeschlagenen Feind endgültig vernichten, während der kaiserliche Oberbefehlshaber, Herzog Karl V. von Lothringen, befürchtet, für einen weiteren Türkenkrieg noch nicht ausreichend gerüstet zu sein. Doch dann willigt er ein, und daraus erwächst der „Große Türkenkrieg“ (1683-1699). Und den wollen wir nun ebenfalls in den Kanon unserer Schlachtdarstellungen aufnehmen. Anfangs erleiden die Osmanen eine Niederlage nach der anderen. Doch als der „allerkatholischste“ (Selbstbezeichnung) französische König Ludwig XIV. den Pfälzischen Erbfolgekrieg vom Zaun bricht (1688-1697) und den Kaiser zu einem Zweifrontenkrieg zwingt, bekommen die Türken langsam wieder Oberwasser.
Bild links: Jan III Sobieski during the battle, painted by 19th century Polish painter Juliusz Kossak
Der polnische König inmitten seiner Husaren. Links kommt ein echter Husar, ein Panzerreiter, herangeritten, hinter Seiner Majestät steht ein Pancerni, ein Husar der zweiten Welle.
Türkischer Rückzug von Wien
Wenn eine geschlagene Truppe sich durchs Feindesland zurückzieht, läßt sie gern ihren Unmut aus und plündert, was das Zeug hält. Einen Blick auf den Rückzug der Türken von Wien erhalten wir in Joseph von Hammer-Purgstall „Geschichte des osmanischen Reiches: größtenteils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven“ (in 10 Bänden, Erscheinungsjahr 1830) https://books.google.de/books?id=le5NAAAAcAAJ&pg=PA421&lpg=PA421&ots=SMaatshTu_&focus=viewport&dq=parkany+1683&hl=de&output=text
„ … Der Prälat Matthäus Kalweis der Steyermärker, von dem Prälaten zu St. Lambrecht im Nahmen der steyermärkischen Stände mit Pulver und dann von zwey Dragoner – Regimentern “ unterstützt, wehrte durch Lilienfeld's, des Wallschildes der Steyermark in Oesterreich °, Vertheidigung die Türken von der oberen Steyermark glück- lich ab, aber in der unteren Steyermark fielen die Türken, die sich bey S. Gotthard und Gössing (wo drey Paschen standen) gesammelt, von Friedberg und Hartberg durch das schöne Feistritzthal ein, welches schon im Zuge Suleiman's über Güns nach Gratz so hart mitgenommen worden, und schleppten sowohl Menschen, als Vieh weg, von denen sie allein siebenhundert an die Türken von Kanischa verkauften 5. Sie lagerten sechs Stunden von Gratz an der Raab, gingen über dieselbe, plünderten Ober- und Unter-Limbach, Neuhaus, Fehring und das fruchtbare Raabthal. Zu Gratz wurde die Landwehre aufgebothen, dreytausend Mann stark ". Graf von Herberstein besetzte die Mur". Zu Wildon, dessen Schlosswarten Tycho Brahe als Sternwarte verherrlicht hat, sammelten sich Hülfsvölker aus Kärnthen und Krain; die letzten befehligte der Geschichtschreiber seines Vaterlandes, Valvasor, um damit Fürstenfeld und Radkersburg vor den Türken zu schirmen. Er vertheilte seine Mannschaft nach Bürgau, Neidau, Hohenbruck, Rittengrab, Kapfenstein, Bertholdstein und Hainfeld, dem zwischen Hamm und Feld anmuthig gelegenen Schlosse am Ufer der Raab °, wo Karl von Sauraumit seinen Dragonern. Graf von Dietrichstein mit den Kürassieren des Regimentes Metternich zur Unterstützung Valvasor's herbeygeeilt, schlug die Türken bey Klech, nördlich von Radkersburg, erlegte dreyhundert derselben, verfolgte sie über die Raab, bis über Riegersburg hinaus, das steyermärkische Aornos, welches auf seltsam in der Ebene vereinzeltem steilem Berge sich erhebend, Kornfeld und Weinberg in seinen weiten Mauern einschliessend, Hunger und Belagerer höhnt, so dass es, wiewohl Steyermark's Gränzfeste gegen Ungarn und die Türken, so lange als diese Herrn von Ungarn, dieselben in solcher Ehrfurcht hielt, dass sie nie die Belagerung, nicht einmahl die Berennung versucht.
Der König von Pohlen und der Herzog von Lothringen zogen längs der Donau hinunter bis an die türkische Gränzfeste derselben, Gran, welcher gegenüber auf dem linken Ufer Parkany liegt … „
ARMEESTÄRKEN
Noch einmal von Hammer-Burgstall:
„Neumtausend Reiter, achtzehn Compagnien zu Fuss, jede vierhundert Mann stark auf dem rechten Flügel, wo die Pohlen unter dem Markgrafen von Baden mit Mercy und Gondola, auf dem linken der Herzog von Lothringen und Dünewald mit Palffy und Taaffe; das Fussvolk befehligten Starhemberg und der Herzog von Croy". Die Pohlen in drey Scharen getheilt, der König auf dem linken, Jablonowski auf dem rechten Flügel.“
Die englischsprachige Wikipedia-Seite meldet 27 000 Mann, also das anderthalbfache der Türken. Diesem Beispiel folgt auch die italienische Seite). Die meisten anderen Autoren geben für die Deutschen und Polen insgesamt geringere Stärken als für die Osmanen an.
Es ist ein Kreuz (besser: ein Halbmond) mit den Angaben zu Mannschaftsstärken der Türken in früheren Jahrhunderten. Kaum daß man mal die Gesamtzahl erfährt, und diese auch noch aufgeteilt in die einzelnen Waffengattungen sind echte Raritäten. Aber die Situation bessert sich mählich, und inzwischen findet man sogar auf türkischen Seiten Zahlenangaben.
Für Parkany werden angegeben:
18 000 Mann (darunter 1000 Janitscharen) meldet die englischsprachige Wikipedia-Seite, 50 000 Mann geben die meisten anderen Quellen an.
15 000 Oberungarn
(Die Gelehrten streiten sich, ob die Oberungarn überhaupt an der Schlacht teilgenommen haben - polnische Quellen streiten das ab, Wikipedia führt sie auf -, einige meinen sogar, daß die Türken nur deswegen vor Parkany eine Niederlage erlitten hätten, weil sie zu lange auf die Ungarn gewartet hätten. Gleich wie, die Meinungen halten sich die Waage, und wir überlassen es jedem Spieler, die Ungarn teilnehmen oder herauszulassen.
Doch auf der italienischsprachigen Seite „A la Guerre“ http://alaguerre.luridoteca.net/
finden wir ein selbstentwickeltes Spiel um die Schlacht von Parkany und borgen uns von dem die Karte aus und vergleichen die angezeigten Mannschaftsstärken mit unseren Ergebnissen (wir geben es gleich selbstkritisch zu, die Italiener haben mehr herausgefunden)
Bild oben: Gemeinfreie zeitgenössische Abbildung, beachte die Schiffsbrücke.
Osmanen
Palastreiterei (eigentlich 10 000 Mann schwere Garde-Reiterei, aber erstens ist der Sultan nicht vor Ort, und zweitens wird nur ein Bruchteil dieser Truppen Pakany erreicht haben) 1500
Sipahi (Lehensreiterei, zählt als mittlere Reiterei) 12 800
Deli, Gönüllü und Akindschi (irreguläre leichte Reiterei) 1500
Janitscharen 1000
Tüfekschi, Segban (Seymen) u.a. 1000
12 Geschütze
Ungarn
Reguläre Infanterie 1600
Miliz mit Nahkampfwaffen 1600
Miliz-Schützen 5800
Miliz-Reiterei (mittlere Reiterei) 3000
ungarische Husaren (leichte Reiterei) 3000
(über oberungarische Artillerie ist nichts bekannt, in der Regel leiht der türkische Sultan seinen Vasallen Kanonen usw.
aus.)
Alliierte
(Die Italiener teilen das Fußvolk der Kaiserlichen in 3/5 Pikeniere und 2/5 Schützen auf, was wir nicht so ganz nachvollziehen können; 1681 beginnt der Abschied von den langen Spießen, die sich zwar noch eine Weile halten, besonders auf dem Balkan, aber viel eher schützen sich die Musketiere mit spanischen Reitern. – Jetzt haben wir auch das gesagt, und jeder möge selbst entscheiden; die MARS-Figuren sind auch mit Pikenträgern ausgestattet).
Kaiserliche
Musketiere 8000
Kürassiere 6000
Grenzer m Reiterei 1500
Dragoner 1500
Polen
Schützen und Leibgarde 3000
„Deutsche Musketiere“ 3000
Dragoner 1000
Husaren (Panzerreiter) 2000
Husaren „2. Welle“ (s Reiterei) 2000
Beide Verbündete haben zusammen 30 Kanonen (leichte und mittlere), die in etwa gleichmäßig verteilt sind.
Abschlußbemerkung
Das sollte fürs erste reichen, um den Appetit anzuregen, wir machen gleich weiter, sobald die MARS-Figuren in Sicht gekommen sind.