Kriege in Osteuropa
Mittwoch, 13. Dezember 2017
Bild oben: Paja Jovanovic, Seoba Srbalja. “De Serben verlassen das Kosowo unter der Führung des Patriarchen Arsenius Crnojevic.” (Gemeinfreies Gemälde)
Vorgeschichte
Nach der Vertreibung der Türken von ihrer Belagerung Wiens 1683 hatten die verbündeten Österreicher, Deutschen und Polen zunächst einige weitere Siege über den Feind erringen können und den Großteil Ungarns befreit. Doch dann ließen die Bemühungen der Polen deutlich nach. Erst 1690 entschloß sich der polnische König Jan Sobieski III. noch einmal mit Macht einzugreifen. Er plante, in das halb-unabhängige Fürstentum Moldau einzumarschieren und von dort den Türken in die Flanke zu fallen – als Nebeeffekt würde er das Land an der Moldau dann für sein Königreich einkassieren. Der deutsche Kaiser erklärte sich einverstanden, 1691 brachen über 30 000 polnische Soldaten auf, und … der Feldzug scheiterte weitgehend. Dabei hätte der Kaiser einen Erfolg des Verbündeten dringend gebrauchen können, denn 1688 hatte Frankreich am Rhein einen Krieg vom Zaun gebrochen (den Pfälzischen Erbfolgekrieg, 1688-91) und dem Kaiser damit einen Zweifrontenkrieg aufgezwungen. Immerhin standen nun zwei der stärksten Militärmächte in Europa gegen ihn. Der Kaiser mußte die Balkanfront von velen guten Truppen entblößen und diese nach Westen schicken.
Die weitere Offensive der Verbündeten war zum Stehen gekommen und schlimmer noch, Teile von Serbien und Siebenbürgen waren wieder an die Türken gegangen. Die Türken hingegen hatten sich von den Schlägen wieder erholt, und der fähige neue Großwesir Fazıl Mustafa Köprülü hatte das osmanische Heer wieder schlagkräftig gemacht. Auf abendländischer Seite führt Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden die Streitkräfte an, den man auch, ob seiner Erfolge an der Balkanfront, den „Türken-Louis“ nannte. Kaiser Leopold II. tat alles, was er konnte, um mehr Truppen an die Südostfront zu schaffen.
Bild oben: Gemeinfreite zeitgenössische Darstellung der Schlacht bei Slankamen (1702) aus dem Theatrum Europaeum (Künstler unbekannt)
Die beiden Armeen
Für den geplanten Feldzug 1691 erhielt der Markraf 20 000 neu ausgehobene Soldaten, dazu von den Verbündeten 2000 Bayern und 6000 Brandenburger. So kamen über 80 000 Mann zusammen, darunter 90 Kanonen und auch die Serbische Miliz mit etwa 10 000 Streitern (siehe unten).
Das türkische Heer verfügte über 90 000 Soldaten, dazu Tausende Knechte, Handwerker und Bedienstete, 70 000 Pferde und 25 000 Zelte. Der Großwesir istwar kein verschwenderischer Prasser, aber man muß bedenken, daß er selbst wie auch sein ganzes Heer während des Marsches in einer Zeltstadt unterkam. Da ging es zu wie in einer Stadt. Handwerker reparierten Waffen und Kleidungsstücke, Pagen und dergleichen bedienten die hohen Herren, damit es ihnen auch an der Front an nichts mangeln mochte, Pferdeknechte versorgten die Tiere und, und, und. Man darf ein Viertel bis ein Drittel der Truppe als Troß hinzurechnen (und es gab beim Osmanenheer weder Prostitution noch Alkoholausschank wie bei den christlichen Heeren), so daß wir, wie im vorliegenden Fall etwa 120 000 Menschen zählen dürften. Bei vielen Feldzügen kamen noch Truppen der Verbündeten hinzu, meist Tataren, die gut und gerne 30 000 Reiter aufboten, womit wir dann bei 150 000 Personen wären, eine für die damalige Zeit ungeheure Anzahl, auch nach Abzug aller Nichtkämpfer. Bei Slankamen waren allerdings keine Tataren dabei.
Großwesir Mustafa aus dem berühmten Geschlecht der Köprülü hatte also die heilige Fahne ergriffen und marschierte mit seinem Heer, darunter 6000 Mann leichter Reiterei “Turkmenen und Kurden“, meist Reiter aus dem Kaukasus und Anatolien, 40 000 Janitscharen, 40 000 Sipahi (mittlere Reiterei) und die gesamte Artillerie aus der Festung Belgrad (also auch Mörser und schwere Artillerie, insgesamt 154 Geschütze), am rechten Donauufer entlang. Bei ihm waren auch 300 französische Genieoffiziere (Pioniere) und Feuerwerker (Artilleristen), die Ludwig XIV. der selbsternannte „allerchristlichste“ König Frankreichs, wie er sich gern nennen ließ, dem Sultan zur Ausbildung der Osmanen in der europäischen Kriegführung übersandt hatte. So etwas soll es ja heute auch noch geben, wir nennen diese Leute dann „Militärberater“.
Karte (links) in ungarisch:
Törökök = Türken
Csaszariak = Kaiserliche
Lovassag = Kavallerie Lovassag es gyalogsag = Dragoner
Tüzerseg = Artillerie
Badeni Lajos = Ludwig von Baden
Köprülü Musztafa = Mustafa Köprülü
Duna = Donau
Bild links: Gemeinfreies Gemälde von Ferdinand Keller aus dem Jahr 1878 Der Markgraf von Baden beim sterbenden Köprülü Mustafa
Die serbische Miliz
Dieser Verband kämpfte auf Seiten der Österreicher im Großen Türkenkrieg von 1686-1704. Serben (darunter allerdings auch Ungarn und Slawonen) standen vor allem an der Grenze zum Osmanischen Reich. Die Stärke des Verbandes betrug zeitweise 10 000 Mann. Die Miliz enthielt Infanterie und Kavallerie, erstere wurden auch als „Haiduken“ bezeichnet (obwohl sie eher wie türkische Provinztruppen aussahen) und letztere „Husaren“ (nach dem Vorbild der polnischen Lanzentreiter) – siehe auch die Abbildung in diesem Text. Nach dem Ausbruch des Pfälzischen Erbfolgekrieges am Rhein und dem Abzug vieler Truppen dorthin konnte die verbliebene Balkan-Armee oft nur dank dieser Serben ihren Aufgaben gerecht werden. Die Miliz nahm auch an der Schlacht bei Slankamen teil und hatte ihren Anteil am Sieg. Nach dem Ende des Großen Türkenkrieges gaben die Serben alle Hoffnung auf die Befreiung ihrer Heimat auf und ließen sich größtenteils in Ungarn nieder, einige zogen aber nach Rußland.