Kriege in Osteuropa


Donnerstag, 28.12.2017

Bild links: Kaiserliche Feldartillerie

 

Vorbemerkung

 

Wir berufen uns bei der Wiedergabe der Schlacht auf den kenntnisreichen Schlachtbericht zu Slankamen auf der Seite „Karlsruher Türkenbeute“

 

www.tuerkenbeute.de/kun/kun_lou/SchlachtSlankamen_de.php

 

Aufmarsch

 

Im Juni 1691 sammeln sich die beiden Armeen. Im Juli trifft der Markgraf von Baden ein, um den Oberbefehl über die Christen zu übernehmen und marschiert zunächst nach Peterwardein; ihm unterstehen 50 000 Mann. Die Türken unter Mustafa Köprülü sind derweil bis Semlin am Einfluß der Save in die Donau gekommen und haben hier ein stark befestigtes Lager errichtet; sogar schwere Geschütze sind hier aufgefahren. Beraten haben den Großwesir dabei französische Offiziere.

 

Am 4. August läßt der „Türkenlouis“ seine Truppen gegen dieses Lager aufmarschieren. Dabei werden sie ununterbrochen von osmanischer leichter Reiterei behelligt. Zwei Tage lang bleiben die Verbündeten (Österreicher, Brandenburger und Bayern, nach einigen Quellen Sachsen) in vollständiger Schlachtordnung vor dem Lager, das für einen direkten Angriff viel zu stark ist. Doch die Türken stürmen nicht heraus.

 

Bild links: Österreichische Infanterie

 

Beide Seiten leiden unter großen Ausfällen durch Krankheiten und Unterversorgung. Vor allem die Kaiserlichen hat es schwer getroffen. Zum Zeitpunkt der Schlacht haben die Kaiserlichen noch 33 000 und die Osmanen 55 000 Mann. Ludwig Wilhelm von Baden erkennt, daß er mit dieser geschwächten Armee keinen direkten Angriff auf das feindliche Lager führen kann, und entschließt sich zu einer List. Er will sich mit seinen Truppen zurückbewegen, um so die Osmanen aus ihrem Lager zu locken. Er postiert seine Soldaten neu bei Slamkamen an der Einmündung der Theiß in die Donau. Hier hat man die Donau im Rücken und grenzt an den Flanken an die Befestigungen von Slankamen und die Ausläufer einer Hügelkette an. In dieser geschützten Stellung kann man auch einen zahlenmäßig überlegenen Gegner wie Köprülüs Armee erwarten.

 

Doch der Großwesir greift ebenfalls zu einer List und umgeht in zwei Nachtmärschen die Kaiserlichen, bis er in der Flanke des Markgrafen steht, genauer auf dem Höhenzug an dessen rechter Flanke. Damit schneidet Köprülü dem Feind den Rückzug ab. Gleichzeitig gelingt es der türkischen Donau-Flotte einen Transport-Konvoi der Österreicher auf dem Strom abzufangen und gleichzeitig die Verbindung zu den eigenen Leuten über den Fluß herzustellen. Die Türken verschanzen sich sofort auf den Kuppen.

 

Die Lage für die Verbündeten sieht düster aus. Der Rückweg ist versperrt, die Donau ebenfalls, und der dringend benötigte Nachschub ist den Türken in die Hände gefallen. Es gibt nur noch einen Ausweg, den Kampf. Der gewiefte Stratege Ludwig Wilhelm plant einerseits, den rechten Flügel der Türken zu umgehen, um in das Lager des Gegners oben auf dem Höhenzug einzudringen (s. bunte Karte im 1. Teil), und andererseits die unter den Hügeln in der Ebene aufgestellte Reiterei abzuwehren und das Lager frontal zu bedrängen.

 

Bis zum Nachmittag des 19. August ist die kaiserliche Armee aufmarschiert. Dem türkischen Lager stehen nun fast die gesamte kaiserliche Artillerie und 20 Bataillone Infanterie und einige Schwadronen Kavallerie gegenüber. Im Zentrum stehen die Brandenburger. Am linken Flügel steht die Masse der kaiserlichen Reiterei, verstärkt durch Musketiere, um die türkische leichte Kavallerie (Turkmenen und Kurden) durch verbundene Waffen zu besiegen. Die Truppen hier am Flügel haben die wichtige Aufgabe, zunächst die türkischen Reiterverbände zu durchstoßen und dann auch noch seitlich in das Lager einzudringen.

 

Bild links: Türkische schwere Artillerie 

 

Schlacht

 

Vergeblich versucht der Markgraf, mit seiner Artillerie die türkischen Verschanzungen sturmreif zu schießen. Dreimal stürmt die verbündete Infanterie an und bleibt jedesmal im Abwehrfeuer der türkischen Kanonen liegen. Regelmäßig erfolgt der Gegenangriff der Janitscharen (nach einigen Quellen immerhin 40 000 Mann), die mit ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit heftig unter den Verbündeten wüten. Sie können nur durch Dauerbeschuß der Artillerie jeweils zurückgetrieben werden. Stunde um Stunde geht es hier hin und her.

 

Der linke Flügel der Verbündeten kommt nur schlecht voran. Den Janitscharen gelingt bei einem ihrer Gegenangriffe, in die Verbindung zwischen der großen Batterie (in der die Mehrzahl der kaiserlichen Kanonen stehen) und dem Zentrum vorzustoßen. Die dort stehenden Truppen werden fast vollständig von den Türken niedergemacht, und diese schicken jetzt Reiterei (Sipahis) zu Hilfe, um aus der Lücke die kaiserliche Front aufzurollen. Dem Mut und der Umsicht des Markgrafen sowie der Standfestigkeit der brandenburgischen Infanterie ist es zu verdanken, daß die Schlachtordnung nicht zerbricht und die auseinandergerissenen Verbände wieder zusammengeführt werden können.

 

Ludwig Wilhelm galoppiert allein quer über das Schlachtfeld zu seinem linken Flügel, schart die dortige Reiterei um sich und befiehlt, ohne die langsamere Infanterie vorzustoßen und ins Lager einzudringen. Die Kürassiere geraten den Türken in die Flanke und können ins das die nur schwach besetzte und verschanzte Seite des Lagers vorpreschen. Damit wendet sich das Blatt. Während die Sipahis noch drohen, den rechten Flügel der Kaiserlichen vollends zu vernichten, schwenkt Generalleutnant Barfus mit seinen brandenburgischen Bataillonen nach rechts und bildet so eine schützende Mauer zwischen den Sipahis und dem fliehenden rechten Flügel. Die Sipahis stoßen auf ein unüberwindliches Hindernis und können sich nicht mehr entfalten. Als dann auch noch die Kürassiere der Reserve (etwa 6000 Mann) heranpreschen, bricht der Kampfesmut der Sipahis vollkommen zusammen. Barfus erkennt die Gelegenheit und marschiert mit seinen Brandenburgern die Schanzen-Höhe hinauf.

 

Bild links: Türkische Feldartillerie

 

Die Osmanen sehen sich plötzlich eingeschlossen, während die Kaiserlichen von allen Seiten auf sie eindringen. Die Janitscharen vor und hinter den Schanzen können nicht allein die ganze Last tragen und werden Mann für Mann niedergehauen. Die türkischen Reiter stieben nach allen Seiten auseinander. Schon näheren sich die Kaiserlichen der grüngoldenen Fahne (der heiligen Fahne), und die will der Großwesir, der sich zu den Janitscharen geflüchtet hat, schützen; er wird im allgemeinen Getümmel niedergestreckt. Die Janitscharen-Kapelle, die während der ganzen Schlacht hindurch gespielt hat, will dem am Boden liegenden Befehlshaber zu Hilfe eilen. Doch als die Musik so unvermittelt aussetzt, glauben die noch fechtenden Türken, alles sei verloren, und wenden sich zur Flucht, die in eine Panik ausartet. Die Schlacht endet in einem Gemetzel im türkischen Lager. Den Reitern gelingt die Flucht, während die Fußkämpfer allesamt niedergehauen werden. Unter den Toten befinden sich auch etliche Würdenträger auf der „Sultansschanze“, und diese sind der Serasker (der Kriegsminister des Osmanischen Reiches), der Aga (Oberbefehlshaber) der Janitscharen, der oberste Lagerrichter, diverse Generäle und einige Wesire (Minister oder Berater); es handelt sich bei dieser illustren Schar also keineswegs um so etwas wie den Generalstab oder das militärische Hauptquartier. Den Siegern fallen nicht nur 154 Geschütze (man führte sämtliche Geschütze aus der gefallenen Festung Belgrad mit), sondern auch sonst unermeßliche Beute in die Hände.

  

Gründe für Sieg und Niederlage

 

Die Hauptlast der Schlacht hat die Infanterie der Verbündeten getragen, und die war den Janitscharen und anderen haushoch überlegen. Um eine möglichst hohe Ausnutzung aller Gewehre zu erreichen, stehen die Musketiere nicht mehr in dichten Haufen, sondern in dünnen Linien, und im ausklingenden 17. Jahrhundert bis hinein ins 18. verdünnen sich die Linien immer mehr – von 6 Reihen auf 3 (wobei einige Quellen die 3 Reihen schon für Slankamen annehmen, was wir jedoch bezweifeln möchten). Die Musketiere stehen in zwei Treffen (zwei Blöcke hintereinander) zu je mehreren Reihen. Auf dem Photo des Wehrgeschichtlichen Museum erkennt man auf österreichischer Seite 4 Reihen Musketiere, während die Janitscharen in dichten Haufen aus den Schanzen ausfallen. Die Linien feuern Reihe um Reihe in Salve, das ist den Janitscharen fremd, diese sind viel stärker als die mitteleuropäischen Soldaten Einzelkämpfer. – Gegen Kavallerie schützen sich die Infanteristen mit spanischen Reitern (Gestelle mit Spießen, sogenannten Schweinsfedern, und das sind keine Piken), während die Pike selbst weitgehend abgeschafft ist. Auch und gerade den türkischen Reitern reißen die Musketensalven große Lücken in die Scharen.

 

Bild links: Türkische Sultansschanze

 

Und die serbische Miliz? Über deren Einsatz bei Slankamen streiten sich die Gelehrten. Lediglich englische Quellen sehen sie in der Schlacht, alle anderen, auch die deutschen, schweigen sich darüber aus. Nun sind aber auch viele serbische Freiwillige zu den kaiserlichen Fahnen geströmt, nachdem Belgrad (1690) befreit worden war; man erhoffte sich ein eigenes Reich. Gut möglich, daß diese Rekruten gemeint sind, wenn vom serbischen Auftreten in der Schlacht geschrieben wird. Wir könnten uns vorstellen, daß die serbische Miliz die Verbindungswege gesichert und Garnisonen gestellt hat. Ungarische Quellen, welche die Serben konstant als Ungarn bezeichnen, sind sich ebenfalls nicht einig: Die eine Quelle vermerkt den tapferen Einsatz der serbischen Husaren beim Sturmangriff auf die durchgebrochenen Sipahi am rechten Flügel, die andere Quelle verortet die Miliz in den Garnisonen und Festungen des Hinterlands – und rechnet es dem „Türken-Louis“ als schweren Fehler an, die 15-25 000 (sic!) Mann zurückgelassen zu haben, er hätte große Teile davon doch besser in der Schlacht verwenden können.

 

Auf türkischer Seite ist der Niedergang der Waffengattungen für die schweren Niederlagen während des Großen Türkenkrieges und danach verantwortlich. Die Sipahi, die Lehnsreiter, haben in ihrer Hochzeit als schwere Elite-Reiterei gegolten, im ausgehenden 17. Jahrhundert sind sie bestenfalls noch mittlere Reiterei. Auch schicken die Sipahi mittlerweile ihre „Knappen“ in die Schlacht und bleiben selbst zuhause. Diese sind längst nicht so gut ausgebildet und schlecht ausgerüstet. Deswegen drängen sie sich beim Angriff dicht aneinander und bilden bei konzentriertem Artillerie- und Gewehrfeuer des Gegners kaum zu verfehlende Ziele.

 

Bild links:

© www.wgmrastatt.de

 

http://www.wgm-rastatt.de/ausstellungen/dauerausstellung/diorama-slankamen/

 

Die Janitscharen halten sich zwar noch für die osmanische Infanterie-Elite, sind es aber längst nicht mehr. Die asketische Lebensweise und die Zucht und Ordnung in ihren Kasernen gehören größtenteils der Vergangenheit an, und das strenge Auswahlsystem ist längst aufgegeben, inzwischen darf jeder Janitschar werden, der genügend Kleingeld für eine Bestechung aufbringen kann. Dies alles wirkt sich natürlich auf den Kampfgeist aus. Zumal die Janitscharen sich heftig gegen jede Form von Reform sperren. Hinzu kommt, daß Köprülü eine völlig neu aufgestelltes Armee gegen den Feind führt, deren Streitern es oft noch an Kampferfahrung mangelt. Daß das Osmanische Reich militärisch noch lange nicht am Boden liegt, untersuchen wir in einem der folgenden Beiträge, wenn es um die Schlacht von Olasch geht.

 


Der fürs Jahresende eigentlich vorgesehene Schlachtbericht zu Honigfelde verschiebt sich um einige Wochen. Die Nachfrage nach Türkenschlachten war so groß, daß wir uns entschlossen haben, Slankamen vorzuziehen.