Kriege in Osteuropa

  • Taktik
    • Osmanische Taktiken, Teil 3

Sonntag, 21. Februar 2016

Bild links: Statthalter von Bosnien; Statthalter (Beglerbeg oder Beylerbey/Beilerbei) durfen in der Umgebung ihrer Provinzen selbständig Kriege führen. Bosnien war eine Front-Provinz (Grenze mit Österreich-Habsburg), und deshalb führt der bosnische Statthalter des öfteren begrenzte Feldzüge gegen den Feind.

 

 

Kavallerie

Wir hangeln uns wieder an Uwe Beckers hervorragender Seite „Das Osmanische Reich“ (http://www.osmanischesreich.de/) entlang. Hinzu kommt Claes Ralamb, schwedischer Politiker aus dem 17. Jahrhundert, der an einer Gesandtschaft nach Konstantinopel teilnahm und uns ein Kostümbuch hinterlassen hat, aus dem wir einige Abbildungen präsentieren. In der letzten Folge haben wir die Reiterei des Palastes näher in Augenschein genommen und wollen uns heute mit der Reiterei der Provinzen beschäftigen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden ist der, daß erstere Teil des stehenden Heeres sind, regelmäßig Sold erhalten und dem Sultan, wann immer er sie braucht, zur Verfügung stehen. Sie sind bei jedem Feldzug dabei und bilden (mit den Janitscharen) den Kern der Armee. Die Truppen der Provinzen hingegen werden nur bei Bedarf herangezogen. Für einen größeren Feldzug zum Beispiel. Sie erhalten keinen Sold, sondern Land zum Lehen (wie bei uns im Mittelalter) oder nur einen Anteil an der Beute, gelegentlich auch Steuervorteile. Ohne ins Detail gehen zu wollen, dieses System funktioniert mehrere hundert Jahre lang, bis Reformen überfällig sind (und dennoch verschleppt werden) und man in Europa vom „kranken Mann am Bosporus“ spricht.

 

 

Bild links: Gemeinfreier Stich, Sipahis vor Wien (erste Belagerung)

 

Sipahi,

 

auch Spahi oder Sipahiler genannt. Unter diesem Begriff versteht man alle besser ausgestatteten Reiter, die in Formation kämpfen – im Gegensatz zur irregulären oder zur leichten Reiterei. Alle sechs Kavallerie-Garderegimenter des Palastes sind Sipahi, und sie unterscheiden sich von den Namensvettern in den Provinzen durch eine bessere Panzerung. In den ersten osmanischen Jahrhunderten finden sich unter den Sipahi echte Panzerreiter zum Teil mit gepanzerten Pferden (um Mißverständnissen vorzubeugen, es handelt sich hierbei nicht um Ritter vergleichbar den europäischen „Eisenmännern“ mit Plattenpanzern und dergleichen). Panzerung im Osmanischen Reich bedeutet immer Kettenpanzer. Gelegentlich hat der eine – ein zentralasiatisches Erbe – eine Metallscheibe vor der Brust hängen. Der Anteil der Panzerung geht im Lauf der Zeit immer weiter zurück, zuerst bei den Pferden, dann bei den Reitern, bis sie im 16. Jahrhundert nur unregelmäßig anzutreffen und im 17. Jahrhundert nahezu vollständig verschwunden ist (Reste halten sich lediglich bei den Garde-Regimentern).

 

Bild links: Sipahi, schwere Reiterei

 

Deutlich geringer fällt die Panzerung bei den Provinz-Sipahi aus, sie müssen für ihre Bewaffnung und Ausrüstung selbst aufkommen. Da sie als Lohn für ihre Mühen ein Stück Land zum Lehen bekommen haben, von dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, bleibt für solchen Luxus wie Pferdepanzer oft nicht genug übrig. Diese Lehen sind – anders als im europäischen Mittelalter – nicht erblich und werden nach dem Todesfall neu vergeben. Der Sultan kann sich auf seine Sipahi verlassen (die Strafen für unerlaubtes Fernbleiben sind drastisch genug), und die Sipahi der Provinzen bilden die türkische Schlacht-Reiterei schlechthin.  Im Zuge der sich verändernden Kriegführung des christlichen Europas (geschlossene Schützen-Formationen mit Pikenschutz, verbesserte und vermehrte Artillerie, gepanzerte Kavallerie) nimmt der Kampfwert der Sipahi immer mehr ab; nachdem das osmanische Reich sich nicht weiter ausdehnt (und ab dem 18. Jahrhundert sogar Gebiet verliert), können auch keine neuen Lehen mehr vergeben werden (deswegen werden bestehende verkleinert). Ende des 17. Jahrhunderts beträgt die Anzahl der Sipahi nur noch 30 000. Die Provinz-Sipahi stehen an den Rändern der halbmondförmigen Schlachtordnung. Ihre Aufgabe besteht darin, dem Feind in die Flanken und in den Rücken zu fallen und ihn so gegen die Artillerie und das Schützen-Korps im Zentrum zu drücken. Die Palast-Sipahi sind Bestandteil des Zentrums und greifen erst ein, wenn der Feind zu weit vordringt.

 

 

 

Bild rechts: Provinz-Reiter in der Schlacht bei Mohacs, 1526. Die Türken, stehen rechts, die Ungarn links. Unten ein Deli (weiß) mit phantasievoller Kopfbedeckung. Dahinter vermutlich ein Sipahi, der den Kopf und die obere Brust mit Kettenhemd bedeckt hat und mit einem Streithammer seinen Gegner trifft. Darüber ein leichter Bogenschütze, vermutlich ein Akinci.

 

 

Akinci

 

Auch Akindschi oder Akincilar. Die leichte Reiterei, die auf die leichten Reiter der Seldschuken zurückgeht. Akindschi betreiben Aufklärung, verfolgen einen fliehenden Gegner oder verbreiten im feindlichen Hinterland Terror (Brennen, Schänden, Plündern). Wenn sie sich besonders bewährt haben, winkt ihnen zum Lohn ein Lehen, sonst erhalten sie einen Anteil an der Beute. 1595 wird die Einheit der Akindschi während des siebenbürgischen Feldzugs in die Walachei so vernichtend aufgerieben, daß sie sich in der Folge auflöst.

Bild links: Ägyptischer S(i)pahi, auch hier wieder, der Ägypter ist etwas schicker als seine Kollegen.

 

Cebeli

 

Auch Tschebeli. Sipahis haben, je nach Einkommen des Lehens, auch weitere Reiter zu bezahlen und auszurüsten (Obergrenze bei sieben Tschebeli). In der Schlacht stehen die Sipahi in den ersten Reihen, während die schlechter bewaffneten Tschebeli die hinteren Reihen füllen (ein beliebter Trick, dessen sich unter anderem auch die Polen bei ihren Husaren bedienten, um die Einheit größer erscheinen zu lassen). Tschebeli sehen aus wie Sipahi, sind nur schlechter ausgestattet. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts können die Provinz-Sipahi noch bis zu 70 000 Tschebeli (bei 40-50 000 Sipahi) aufbieten. Ihre Schwächung wirkt sich auch auf die Untergebenen aus, die dann zu eigenständigen irregulären Reiter-Einheiten verkümmern, aber noch von den Lehensträgern finanziert werden müssen.

 

 

 

 


Bild links: Deli im Zweikampf mit ungarischem Ritter. Beachte den phantastischen Kopfschmuck des Türken, beachte aber auch, daß beide den gleichen Schild tragen. Aus der Süleymanname.

 

Deli

Nachfolger der Akinci, aus denen sie hervorgegangen sind und in deren Reihen sie vorher auch gedient haben. Später kämpfen sie in Grenzkonflikten als leichte Kavallerie. „Deli“ bedeutet soviel wie „Verrückter“, was auf ihre phantastischen Kostüme zurückzuführen ist, mit denen sie den Gegner zu beeindrucken trachten.

 

Gönüllü

Leichte Reiterei, die in Festungen und Städten Dienst tut und nur selten in einer Feldschlacht eingesetzt wird. Gönüllü („Begeisterte“) lautet auch der Name von Festungs-Fußtruppen.

 

 

 

Bild links: Aus der Selimname. Bruderkrieg unter Osmanen (Selim, rechts) muß sich seines Halb-Bruders erwehren, nachdem er vorher ihrer beider Vater vom Thron gestürzt hatte. Beachte die Krim-Tataren, erkennbar an den spitzen Hüten und dem halbkreisförmigen Bogen, eine eher naive Darstellung des bei den Tataren üblichen Kompositbogens.

 

 

Besli

Auch Beschli. Ebenfalls leichte Reiterei im Grenzfestungs-Dienst. Die im Grunde gleichen Einheiten scheinen von Provinz zu Provinz anders geheißen zu haben, oder einzelne Provinzen unterhalten eigene Verbände, die nur bei ihnen anzutreffen sind. Nicht einmal türkische historische Seiten führen alle Einheiten auf. Uwe Becker nennt diese Truppe auch nicht auf seiner Seite. Dafür findet man sie auf türkischen.

 

 

Hilfstruppen: Tataren

Die Krim-Tataren entwickelen sich ab dem 16. Jahrhunderts zu den verlässlichsten und stärksten Verbündeten des osmanischen Heeres. Zu Zehntausenden strömen sie dem türkischen Heer bei Feldzügen zu und dienen ihm in der Hauptsache als leichte Reiterei; sie verdrängen nach und nach die eigentliche osmanische leichte Reiterei, die ab dem 17. Jahrhundert auf Feldzügen nur noch ein Schattendasein führt. Krim-Tataren und andere (wie Nogaier und weitere mit dem Sultan befreundete Khanate) erfüllen hervorragend sämtliche Funktionen, die vorher die türkische leichte Reiterei innegehabt hat. Sie sind aber auch aktiv auf den Schlachtfeldern zu finden. Dabei ist das Krim-Khanat eigentlich ein Vasall des Sultans. 1532 erstmals gegen Ungarn eingesetzt löste sich die enge Partnerschaft erst 1774 nach der Eroberung des Krim-Khanats durch die Russen.