Kriege in Osteuropa

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    • Osmanische Taktiken, Teil 4

Montag, 29. Februar 2016

Bild links:
Janitscharen in der Schlacht bei Mohacs, 1526. Hier schießen sie in Gliedern. Während die Hinteren stehen und feuern, knien die Vorderen und laden nach. Die Janitscharen befinden sich hier auch hinter den Geschützen. Auf anderen Bildern sieht man, wie sie durch Gassen zwischen den Geschützen nach vorn marschieren und vor den Kanonen Aufstellung nehmen. Aus der Süleinmanname.

Quelle:
http://www.warfare.altervista.org/Ottoman/Suleymanname/1526-Suleiman_during_the_Battle_of_Mohacs.htm

 

Taktik der Türken II

 

Ein weiteres Beispiel für die Aufstellung eines osmanischen Heeres zur Schlacht findet sich in dem Werk „The Holy Wars of King Wladislas and Sultan Murad: The Ottoman-Christian Conflict From 1438-1444“ von John Jefferson. Hierin werden zwei italienische Zeitzeugen zitiert, Pallatio und Poromontoro. Ihre Berichte stammen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, und insbesondere Pallatio beschreibt die Schlacht bei Varna, 1444. Wir sind aber der festen Überzeugung, daß vieles davon auch noch im 16. Jahrhundert üblich war. Größere Änderungen setzen eigentlich erst im 17. Jahrhundert ein, als Gewehre die Hieb-, Schlag- und Stichwaffen mehr und mehr ersetzten. Wir übersetzen hier nur die wichtigsten Mitteilungen:

Rings um das Zentrum wird ein Graben ausgehoben, und das lose Erdreich davor als Brustwehr aufgetürmt. In die Brustwehr werden Eisenstäbe gestoßen und davor Schilde gestellt, hinter denen die Gewehr- und die Bogenschützen beim Feuern in Deckung stehen. Im Innern dieses befestigten Grabenkreises steht der Sultan, ihm zur Seite die berittenen Garde-Regimenter, vor ihm die Janitscharen. Es gibt in dieser Anlage nur einen Ein- und einen Ausgang, die beide schwer bewacht werden. Während der Schlacht eilen unzählige Boten zum und vom Sultan, um ihn über den Stand der Schlacht auf dem laufenden zu halten und um seine Befehle weiterzugeben. Vor der Umwallung ist eine weitere, ähnliche, aber nicht so aufwendige errichtet worden, hinter der die Azab in Stellung gehen (die 6000 aus Rumelien auf der einen Seite, die 6000 aus Anatolien auf der anderen Seite).

 

Bild links: Janitscharen-Oberst

 

Allen – Azabs, Janitscharen und Elite-Reitern – ist gemeinsam, daß sie unter allen Umständen beim Sultan bleiben, ganz gleich, ob die Schlacht für die Osmanen nicht zum Besten steht und ein Eingreifen der Sultans-Truppen die Wende bringen könnte. ((Einwurf, das hat sich später geändert, da sind sie sehr wohl, zumindest die Kavallerie, in die Schlacht geritten. ))

 

60 Kamele mit insgesamt 60 000 Goldstücken beladen stehen vor dem Sultan und seinem Gefolge. Sollten Feinde so weit vordringen, werden die Säcke aufgeschnitten. Man hofft, daß die gegnerischen Soldaten sich lieber erst die Taschen vollstopfen, als sich weiter zum Sultan vorzukämpfen (Kamele waren noch Mitte des 15. Jahrhunderts die Haupt-Lastenträger der Osmanen, was ein rascheres Vorankommen als Karren und Wagen ermöglichte; später stiegen sie auf Wagen um, wohl, weil die keine Verpflegung brauchen und nicht krank werden.) De Pallatio spricht übrigens von 600 Kamelen, die auch noch andere Werttümer mit sich schleppen.

 

 

JANITSCHAREN – Herkunft und Bedeutung

Die Infanterie des stehenden osmanischen Heeres heißt Janitscharen, und die Entwicklung dieser Elitetruppe wird hier kurz beleuchtet, weil in ihr auch schon der Keim ihres Untergangs steckt. Der Sultan erhebt in seinen christlichen Landesteilen eine besondere Steuer, die „Knabenlese“, das heißt, die dortigen Untertanen müssen einen gewissen Prozentsatz ihrer männlichen Nachkommenschaft im Alter zwischen 7 und 14 Jahren dem Sultan überlassen. Diese werden nach Istanbul verbracht, kaserniert, zu Moslems umerzogen, im Geiste des Mystiker-Ordens der Derwische unterwiesen und (neben anderem) zu Elitesoldaten erzogen, die allein dem Sultan treu sind. Sie müssen während ihres Dienstes unverheiratet bleiben und dürfen keinen Nebenberuf haben. Dafür bekommen sie immer satt zu essen und werden vom Herrscher besoldet. Dieses System funktioniert lange Jahre sehr gut, die Janitscharen sind überall als Gegner gefürchtet. Militärhistoriker rechnen sie zu den besten der Weltgeschichte.

 

Bild links: Leibwache des Sultans

 

Aber es kommt, wie es kommen muß, im Laufe der Jahrhunderte ärgern sich türkische Eltern darüber, daß ihre Kinder nicht bei den Janitscharen mitmachen dürfen, und mogeln ihre Knaben (mit Bestechung geht alles, dort wie überall auf der Welt) in die Janitscharen Kasernen. Irgendwann dürfen die Janitscharen sich auch außerhalb des Dienstes einen Nebenerwerb suchen, und endlich fällt auch das Eheverbot. Die Janitscharen werden auf dem Schlachtfeld immer schlechter, und um dem entgegenzuwirken, verschärft man nicht etwa ihren Drill, sondern erhöht ihre Anzahl. Als die Janitscharen 1826 zum soundsovielten Mal rebellieren, läßt man sie zusammentreiben und von Kanonen zusammenschießen. Und das ist das Ende der Janitscharen.

 

 

Janitscharen – Gliederung und Kampfweise

 

In den Anfangs-Jahrzehnten ihres Bestehens zählt das Janitscharen-Korps 10 000 Mann, wächst aber in dem Maße, wie Schußwaffen den Krieg bestimmen. 1630 sind sie bereits zu 80 000, am Ende 200 000. Das Korps selbst gliedert sich in drei Divisionen, die wiederum in Ortas unterteilt sind. Manche Quellen übersetzen Orta mit Kompanie, andere mit Bataillon und wieder andere mit Regiment (z.B. Uwe Becker). Diese Unterschiede erklären sich daraus, daß die Anzahl der Ortas nicht im gleichen Maße angestiegen ist wie die der Janitscharen. Unter Süleiman I. dem Prächtigen (1520-1566) bestehen bereits 165 Ortas, die danach in rascher Folge bis auf 196 aufgestockt werden, und dabei bleibt es dann. So erklärt es sich, daß Ortas mit Mannschaftsstärken von 60 bis zu 600 angegeben werden. Die drei Divisionen, die nicht dem entsprechen, was wir Heutigen darunter verstehen, beziehen sich auf den Einsatz der Janitscharen: Die erste heißt Cemaat (Jemaat/Dschemaat) und bestückt mit ihren 101 Ortas (von 196) die Grenz-Provinzen. Ursprünglich unterstehen sie allein dem Sultan, der sie seinen Statthaltern ausborgt. Im Feldzugs-Falle müssen sie zum Heer des Sultans stoßen.

 

Später dürfen aber auch die Statthalter selbst über „ihre“ Janitscharen verfügen und sie zum Beispiel bei ihren lokalen Kriegen einsetzen. Die Ortas bleiben irgendwann permanent in „ihrer“ Provinz,entwickeln sich immer mehr zur Haustruppe des jeweiligen Statthalters und übernehmen Verwaltungs- und Ordnungsaufgaben. An ihre Stellen treten Yamacs, die ihren Garnisonsdienst übernehmen und sich auch wie Janitscharen kleiden, während die Janitscharen selbst lukrativeren Tätigkeiten nachgehen. 

 

Bild links: Janitschar aus der ägyptischen Provinz. Auf der Miniatur der Schlacht von Tschaldiran (Siehe Teil 2) tragen 2 der Janitscharen rote statt weißer Mützen an der Kappe. Der britische Historiker David Nicole – einer der wenigen von der Insel, den wir schätzen, wir lesen sogar ausnahmsweise Osprey-Bände, wenn sie von ihm stammen – meint,  daß sonst nur Mitglieder des Garde-Regiments Silhatar solche Mützen tragen, und schließt daraus, daß die Reiterei im Notfall auch schon einmal abgestiegen gekämpft hat. Wir glauben jedoch, daß es sich hier lediglich um Janitscharen aus der Provinz Ägypten handelt, die gewisse modische Vorrechte für sich in Anspruch nehmen durften (ein Überbleibsel aus der Mamelukenzeit); für diese Ansicht spricht der Umstand, daß Gardereiter sich wohl kaum dazu herabgelassen hätten, zu Fuß zu kämpfen, selbst auf dem Höhepunkt einer Schlacht nicht. Und, die Elite-Reiter waren nicht mit Musketen bewaffnet.

 

 

 

 

Bild links: Leibwache des Großwesirs

 

Bei der zweiten Division – Böluk – finden sich 61 Ortas, und bei denen handelt es sich um die eigentliche Leibwache/Leibgarde des Sultans, die ständig in den Palast-Kasernen stationiert sind. – In der dritten Division – Seimen oder Sekban (wir halten uns an den ersteren Begriff, da unter dem zweiten auch einfache Provinztruppen verstanden werden und das verwirrt) – stoßen wir auf die „Hundewärter“, das sind die ehemaligen Jagdgenossen des Sultans, die irgendwann in den Rang von Janitscharen erhoben worden sind. Diese 34 Ortas stellen vermutlich eine weitere Leibwache/Leibgarde des Herrschers dar. – Und um es noch ein wenig komplizierter zu machen, darüber hinaus existieren weitere 34 Ortas, in welchen die Rekruten und Kadetten zusammengefaßt sind (bei Feldzügen bleiben die natürlich zuhause).

 

 

Janitscharen sind in allen größeren Feldzügen und Schlachten auf allen 3 Kontinenten zu finden (das osmanische Reich erstreckt sich von Nordafrika über den Nahen Osten bis hinauf nach Südost-Europa). Bis ins 16. Jahrhundert hinein schießen die Janitscharen mit Pfeil und Bogen, dem Kompositbogen, und sie sind ausgezeichnete Schützen. Doch mit dem Aufkommen von Feuerwaffen, steigen sie immer mehr auf diese Waffen um. Typisch für sie sind lange Musketen. Im Nahkampf verwendeten sie Beil, Säbel und Jatagan (ein einschneidiges gebogenes Kurzschwert).

 

 

 

 

 

 

Bild links Kompaniezeichen der einzelnen Ortas (Auswahl). Die Ortas sind durchnummeriert, und die ersten sieben Reihen geben Grenz-Ortas wieder, mitten in der Reihe 8 beginnen die Bölük (deswegen mit einem B hinter der Ordnungszahl gekennzeichnet), also die Leibwache-Ortas. Diese Zeichen flattern auf Wimpeln oben auf den Zelten im Lager, und die einzelnen Janitscharen ließen es sich (meist) auf den Handrücken tätowieren. Wer sich genauer umsehen will, schaue auf folgenden Link:

 

 http://www.tarihnotlari.com/yeniceriler/yeniceriortalarininamblemleri-3/

 

 

Weitere Palasttruppen

 

Cebeci (Tschebetschi)-Waffenschmiede

 

Diese Männer besorgen die Herstellung, Entwicklung und Lieferung von Waffen an die Truppe. Anfangs zählt diese Einheit nur 700 Mann, im 15. Jahrhundert gibt es bereits 6000 von ihnen, Anzeichen für die technische Entwicklung des osmanischen Heeres (vor allem Gewehre und Kanonen).

 

 

 

Topci (Toptschi)-Artilleristen

 

Das Geschützwesen ist immer ein Lieblingskind der Sultane. Dank ihres Reichtums werben sie aus ganz Europa Büchsenmeister (Kanonenbauer) an, die ihr Wissen an die Türken weitergeben. Anfangs ist die osmanische Artillerie die beste der Welt; sie kann bis weit ins 17. Jahrhundert hinein mühelos mit allen europäischen Mächten mithalten. Diese Einheit ist stets personell gut bestückt und wächst am Ende auf 10 000 Mann an.

 

 

Top Arabaci (Top Arabatschi)- Artillerie-Fuhrpark

 

Berittene Einheit, welcher der Transport der Geschütze (und später des gesamten militärische Fuhrwesens) obliegt. Diese Truppe wächst im Lauf der Zeit von einigen hundert auf 3000 Mann an.

 

 

Iaghumci (Iaghumdschi)-Mineure

 

Eine frühe Form der Pioniere, nämlich die Stollen- und Minengräber, das heißt diejenigen, welche unterirdische Gräben graben, um dann unter den gegnerischen Festungsmauern eine Sprengladung (Mine) anzubringen. Zu diesen gehören auch als weitere Pionierform die Genietruppen, das heißt die Feldmesser und Ingenieure, die Erdarbeiten, zum Beispiel bei Belagerungen, planen. Und später noch eine Abteilung, nämlich die:

 

 

Kumbaraci (Kumbaradschi)-Bombardiere

Die Mörser-Einheit des osmanischen Heeres, denn die Steilfeuergeschütze kommen vorwiegend bei Belagerungen zum Einsatz. Diese spezialisierte Einheit, entstanden aus den Minengräbern, ist nie sehr groß, umfaßt meist 300 Mann und wächst erst im 18. Jahrhundert an.