Kriege in Osteuropa
Montag, 21. März 2016
Bild links: Aus der Wandteppich-Serie "Die Eroberung von Tunis", 1535, in Auftrag gegeben ca. 10 Jahre
später. Im 18. Jahrhundert wurde eine Kopie hergestellt, von der diese Abbildung entnommen worden ist. - Beachte im Hintergrund den Landsknechte-Block.
Osteuropäische Krieger
- Taktik und Waffengattungen
Wie bereits in den vergangenen Folgen erwähnt, ändert sich für das Osmanische Reich einiges im 17. Jahrhundert. Der Scheitelpunkt der Macht ist überschritten, der unaufhaltsame Niedergang wird jedoch erst im 18. Jahrhundert deutlich. Das Schlachtfeld beherrschen mehr und mehr die Schußwaffen, und auch die Türken setzen immer stärker aufs Gewehr. Allerdings sind die Staatsfinanzen längst nicht mehr so gesund wie noch hundert Jahre früher, und so kann sich der Sultan nicht mehr die besten Büchsenmacher aus ganz Europa leisten. Allmählich bekommt die Christenheit das technologische Übergewicht. Doch erst einmal herrscht lange Zeit Frieden zwischen dem Heiligen Römischen Reich unter Leitung der Österreicher und den Osmanen. Der letzte Krieg endet 1606, der nächste begann erst wieder 1663. Natürlich sind die Herrscher in diesen 60 Jahren anderweitig beschäftigt, sonst hätte es viel eher wieder gekracht. 1683 kommt es zu zweiten Belagerung von Wien, und von da an geht es Schlag auf Schlag bis 1718 – mit einer Unterbrechung, dem Spanischen Erbfolgekrieg. Wir orientieren uns im folgenden wieder an dem Regelbuch „By Fire & Sword“, das einige interessante Hintergrund-Informationen bereithält.
Bild oben: die sechs Garderegimenter (das braune von LUCKY TOYS, Rest ZVESDA), in der Mitte der Sultan mit seiner
Leibwache (RED BOX).
Was sich ändert:
KAVALLERIE
Es bleibt bei der Anzahl von 6 Garde-Regimentern, doch ab Mitte des 17. Jahrhunderts kommt auch hier die Rüstung aus der Mode, dabei könnten die Mitglieder dieser Elite sich die durchaus noch leisten (im Gegensatz zu den Provinz-Sipahis). Bei den Pferden ist die Panzerung schon 50 Jahre früher gefallen. Ende des 17. Jahrhunderts tauchen bei den Garde-Regimentern vereinzelt auch Pistolen und sogar Karabiner (kurze, besonders für Berittene bequeme Gewehre). Die Elite-Reiter vermochten es lange Zeit, ähnlich den polnischen Husaren, im vollen Galopp anzugreifen, ihr Manko besteht aber darin, daß sie keine Formation halten können und die Entscheidung im individuellen Zweikampf suchen. Die Garde greift dreimal an, und wenn ihr beim dritten Mal der Durchbruch noch immer nicht gelungen ist, zieht sie sich zurück, um sich neu zu formieren und später erneut anzugreifen. Wie ihre Kameraden von den Janitscharen mischen sich die Gardisten immer mehr in die Politik ein und wollen überall mitreden- 1657 verlassen einige von ihnen einen Feldzug und kehren nach Istanbul zurück, um den Sultan zu stürzen. Der aber ist gewarnt, läßt sie ergreifen und hinrichten. Damit sind sie eindeutig zu weit gegangen, sie verlieren das Vertrauen der Obrigkeit und der Bevölkerung, und ihr Niedergang beginnt.
Bild links:
die Provinz-Sipahi als mittlere Reiterei, hier die linke Flügel (alle ZVESDA)
Die Anzahl der Provinz-Sipahi steigt bis Mitte des 17. Jahrhunderts auf 100 000 Mann, doch diese Masse zieht nie vollzählig in einen Krieg. Längst kann man sich mit Bestechung von der Pflicht zur Heerfolge freikaufen. Die Finanzkrisen sorgen auch dafür, daß sich ein Sipahi von den Erlösen seines Lehens immer weniger leisten kann. Als erstes fällt dem schmalen Einkommen die Rüstung zum Opfer, und so kann man die Sipahi nur noch als mittlere Reiterei werten. Aber nicht nur das Kettenhemd entfällt, auch bei der Bewaffnung werden Abstriche gemacht, so daß man ab Mitte des Jahrhunderts nicht mehr von einer einheitlichen Bewaffnung sprechen kann. Der Bogen ist und bleibt die Hauptwaffe, wer es sich leisten kann, verfügt über runden Schild, Säbel, Speer oder kurze Lanze, und nur die Reichen können sich einen Streitkolben leisten (der ist allerdings für Offiziere obligatorisch; selbige führen auch einen kurzen Speer mit viereckiger Spitze). Generell gilt, daß die rumelischen (europäischen) Sipahi besser ausgestattet sind als ihre anatolischen Kameraden, die über kaum mehr als Bogen, Speer und/oder Säbel verfügen. Die Sipahi können es im 17. Jahrhundert immer noch mit allen Gegnern aufnehmen, inklusive der polnischen Husaren, vor allem dank ihrer Übermacht und ihrer besseren Pferde. Doch der Keim des Untergangs zeigt sich bereits: Die Sipahi reiten nicht, wie zum Beispiel die christlichen Kürassiere, im geschlossenen Verband an, der wie ein Körper agiert, sondern als Ansammlung von Einzelkämpfern.
Bild oben: beide Flügel der Provinz-Sipahi
Eine Tradition bleibt bestehen: Wenn eine Schlacht auf europäischem Boden ausgetragen wird, stehen die rumelischen Sipahi auf der (ehrenvolleren) rechten Seite, die anatolischen hingegen auf der linken. Bei Kämpfen in Asien verhält es sich umgekehrt. Auch macht sich jetzt endgültig nachteilig bemerkbar, daß die anatolischen Sipahi immer noch wie ihre seldschukischen Vorfahren am liebsten mit dem Bogen schießen, dabei aber nicht beweglich wie die leichte Reiterei agieren, sondern innerhalb der Schlachtordnung kämpfen müssen. Sipahi versuchten in der Schlacht weiterhin, den Gegner zu verleiten, aus seiner Schlachtordnung auszubrechen und anzugreifen. Wenn er sich als starker erweist, fliehen sie zurück in ihre Reihen, während andere Sipahi-Verbände den Verfolgern in die Flanken fallen. Im Idealfall lockt man so nach und nach die Masse der feindlichen Kavallerie von dessen Infanterie fort. Die Anatolen schießen dabei mit ihren Bögen, die Rumelier werfen ihre Speere. Doch dabei stellt sich immer mehr als Schwäche heraus, daß die Sipahi bei ihren Manövern und Attacken nicht von Infanterie und/oder Artillerie unterstützt werden. Die Janitscharen (und die Geschütze) bleiben in ihren Stellungen, feuern aber nicht, greifen erst Ende der Schlacht ein. So verpuffen viele der Sipahi Ablenkungs-Angriffe, und so neigt sich die Waagschale immer mehr der christlichen Seite zu.
Bild oben: die Janitscharen, vorn die Schützen, dahinter die Krieger (braun MARS, grau RED BOX, gelb ZVESDA)
Die Anzahl der Cebeli/Tschebeli, also der Gefolgsleute eines Sipahi, sinkt auf durchschnittlich 2 pro Lehnsreiter, im 16. Jahrhundert waren es noch doppelt so viele. Die Einteilung der Tschebeli und Sipahi erfolgt immer noch in Alay, was einer christlichen Schwadron entspricht. Alle Alay einer Provinz sind in einer Sanjak/Sandschak zusammengefaßt. Die Bewaffnung der Gefolgsleute fällt entsprechend bescheidener aus als die ihrer Herren, aber sie gelten als sehr gute Säbelkämpfer zu Pferd.
Akinci/Akintschi entwickeln sich, wie ihre Nachfolger, zur Vorhut der türkischen Armee. Das gilt sowohl für eine Schlacht, als auch für einen Feldzug. Sie dringen ins Feindesland vor, vernichten kleinere Vorposten, bringen Nahrungsmittel in ihren Besitz und erkunden die Bewegungen des Gegners. Sie reiten die Strecke im voraus ab, welche der Heerzug wenige Tage später nehmen wird, und sorgen dafür, daß der Feind ihm dort keinen Hinterhalt legen kann. Dabei sind sie ungewöhnlich schnell, ein kluger Kopf hat ausgerechnet, daß sie sich so rasch wie die motorisierten Verbände des Zweiten Weltkriegs bewegen können. Das mag auch daran liegen, daß jeder von ihnen mehrere Pferde mit sich führt, um darauf alles fortzutragen, was ihm wert genug erscheint. Ohne durch großes Gepäck und Wagen belastet zu sein, bewegen sie sich selten weiter als vier bis fünf Tagesritte vom jeweiligen Hauptlager fort. Ihre Bewaffnung besteht in der Regel aus einer Brustplatte und einem Helm nebst einem Speer oder einer Lanze. Dazu die üblichen Handwaffen. Die straff geführte Truppe gliedert sich auf dem Vormarsch in Zehnergruppen (bis tausend). Nach ihrer schweren Niederlage 1595 gegen Michael den Mutigen schwindet ihr Ruhm rasch, doch aufgelöst werden sie erst 1826.
Bild oben: davor die Artillerie (aus Platzgründen ohne Bedienung), links und rechts je 3 leichte, im Zentrum drei mittlere Geschütze, alle RED BOX.
Die Deli sind die Nachfolger der Akinci und noch mehr als diese ein irregulärer Eliteverband. Die einzelnen Reiter tragen oft Flügel wie die polnischen Husaren, oder Felle von wilden Bestien oder Federn, und das nicht nur so, wie es dem einzelnen gefiel, sondern durchaus nach einer gewissen Ordnung, gehören die meisten von ihnen doch irgendwelchen religiösen Bruderschaften an. Sie scheuen den Zweikampf mit einem polnischen Husaren nicht und beenden ihn auch oft siegreich, aber im Kampf Verband gegen Verband sind sie als irreguläre Einzelkämpfer hoffnungslos unterlegen. Das zeigt sich insbesondere im späteren 17. Jahrhundert und danach immer deutlicher. Deli finden sich oft als Leibwächter des Wesirs oder der Grenz-Statthalter, und als solche genießen sie einen sagenhaften Ruf. Die Deli sind nicht gepanzert und tragen als Körperschutz höchstens einen Schild. Nie übermäßig zahlreich gehen sie leicht in den Reihen der verbliebenen Akinci unter. Auch ist über ihre Organisationsform wenig bekannt.
Bild oben: mittlere (3 Figuren) und schwere (4 Figuren pro Plattform) Krieger als Vor-Reihe vor den Janitscharen (braun links MARS, Mitte RED BOX, braun rechts LUCKY TOYS).
Gönüllü Diese Nachfolgetruppe der
Akintschi besteht schon länger, und ist eigentlich zweigeteilt: unter berittenen Gönüllü versteht man leichte und irreguläre Reiterei im Feldzug, und Gönüllü zu Fuß werden Festungstruppen
zusammengefaßt. In Festungen liegen aber auch Einheiten leichter Reiterei namens Gönüllü, und die treten im 17. Jahrhundert in Grenz-Forts stärker in Erscheinung. Sie plündern und terrorisieren
das jeweilige Feindesland. In der Schlacht hingegen kämpfen die Gönüllü als Irreguläre an den Flanken der Sipahi, um die Gegner derselben zu irritieren und aus der Ordnung zu bringen; dazu
beschießen sie ihn mit ihren Pfeilen oder greifen ihn einzeln (sie sind ja selbst Einzelkämpfer) mit ihren Lanzen und Handwaffen an. Gönüllü tragen zwar keine Rüstung (höchstens einen Schild),
sind aber als (oftmals) Söhne von Lehensträgern und kleinen Fürsten oder Offizieren, bessergestellt und können sich mehrere Waffen leisten. Wenn ein Sipahi in der Schlacht stirbt, fällt sein
Lehen sofort an den Sultan zurück und wird dann meist an einen Gönüllü vergeben, der sich durch große Tapferkeit ausgezeichnet hat. Aus den türkischen Quellen ist ein Fall bekannt, in dem in
einer längeren Belagerung ein Lehen achtmal vergeben wurde, weil die neuen Nutzer jeweils zwischenzeitlich gefallen sind.
Besli/Beschli verfügen kaum über Panzerung, dafür tragen aber alle mehr oder weniger die gleichen Waffen: Wurfspeer, Stoßspeer, Schild und Bogen. Sie versehen ebenfalls in den Festungen Dienst. Im 17. Jahrhundert haben sie sich zu Spezialisten dafür entwickelt, feindliche Grenz-Forts zu überfallen. Darüber hinaus decken sie die Nachhut und den Troß des eigenen Heeres, und wenn sie in der Schlacht dabei sind, dann als Flankenschutz für die Sipahi.
Bild oben: die erste Infanterielinie, bestehend aus Leichten (2 Figuren) und Plänklern (1 Figur) (MARS, RED BOX, LICKY TOYS), linke Hälfte
INFANTERIE
Janitscharen sind geradezu das Sinnbild für den Niedergang einer einstmals erstklassigen Einheit, dem man durch eine aufgeblähte Erhöhung der Mitgliederzahl zu begegnen versucht. Ende des 17. Jahrhunderts zählen sie 100 000 Mann, von denen im Feldzug aber nur ein Bruchteil zu finden ist (sie machen nie mehr als 20 % der gesamten Armee aus, bei eine durchschnittlichen Größe von um die 100 000 Soldaten also lediglich bis zu 20 000); der Rest tut in den Provinzen Dienst oder geht seinen Privatgeschäften nach. Auch die Ist-Stärke der Odas fällt kontinuierlich. Bei der zweiten Belagerung von Wien sind manche nur noch mit 40-50 Mann angetreten, bei einer Soll-Stärke von 150. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind hier und da für die Soldaten 20mm Büchsen eingeführt worden, die man auch „Janitscharen-Kanone“ genannt hat und die über einen enormen Rückschlag verfügt haben muß. Die Forschung ist sich nicht ganz einig, aber gut möglich daß zur Stütze und Zielhilfe bei diesen Büchsen der Berdysch (türkisch: Yatagan) eingeführt worden ist. Dennoch erweisen sich die Janitscharen noch über lange Zeit als gefährlicher Gegner.
Bild oben: rechte Hälfte, hier verarbeitet "Berber-Piraten" von MARS und "Türkische Seeleute" von RED BOX
Azabs
Ursprünglich sind die Azabs eine Art Ergänzung zu den Janitscharen. Sie bestehen aus Moslems und stellen die Infanterie, die neben dem Elite-Schützenkorps benötigt wird. Auch hier wird eine strenge Auswahl durchgeführt, der Rekrut muß unverheiratet sein und darf überhaupt auch keine Kinder zurücklassen. Doch wie in so vielen Bereichen sind auch diese Vorschriften im 17. Jahrhundert längst durchlöchert. Eigentlich ist diese Truppe schon im Verschwinden begriffen, das BF&S-Regelbuch führt sie dennoch weiterhin auf, als eine Art Fußvolk-Pendant zu den irregulären Akinci-Reitern. Der eigentlichen Mondsichel-Schlachtordnung vorgelagert, greifen sie den feindlichen Aufmarsch an, um ihn zu stören, oder die bereits angetretenen Verbände, um sie zu provozieren. Allerdings findet man sie auch in dieser Quelle weit häufiger als Garnison in Festungen.
Azabs sind in Einheiten organisiert, die die Namen von Janitscharen-Einheiten tragen, aber abweichende Stärken aufweisen (das Oda der Azab umfaßt zum Beispiel nur höchstens 30 Mann); um hier nicht zu verwirren, aber auch dank des Umstands, daß die Azab im 17. Jahrhundert, wenn überhaupt, nur als Horde oder Haufen in die Schlacht geworfen werden, verzichten wir darauf, näher auf die Organisationsstruktur einzugehen. Die bisherige Bewaffnung aus Schild, Schwert und Speer, bzw. Schwert oder Axt und Stangenwaffe (am ehesten Hellebarde), bzw. Bogen und Schwert, wird im 17. Jahrhundert im bescheidenen Umfang durch Musketen erweitert. BF&S empfiehlt, einzelne Horden gleich zu bewaffnen. Wir halten es aber, um den ungezügelten, irregulären Charakter der Azabs wiederzugeben, für besser, die verschiedenen Waffenträger miteinander zu mischen. Azabs sind im Festungsdienst (und auch in der Kaserne) in Odas (zu 6-12 Mann) und Cemaats/Tschemaats (60-120 Mann) gegliedert, in der Schlacht werden solche Kleinverbände aber zu größeren Einheiten zusammengefaßt, um mehr Wirkung zu erzielen.
Bild oben: noch vor der Schlachtlinie, irreguläre Deli (ZVESDA)
Segban oder Seymen sind Schützen in der Nachfolge der Azabs und treten erst im 17. Jahrhundert so recht zum Vorschein. In der Regel wird ein Janitschar Befehlshaber einer
Segban-Einheit. Dennoch gebricht es diesen Schützen an Disziplin, weswegen sie nie in Linie gekämpft haben. Segban-truppen sind Freiwilligen-Verbände, und so dienen gelegentlich mehr von ihnen
als gebraucht werden, was sich vor allem nach einem Krieg, wenn man sie nach Hause schickt, zu einem Problem auswachsen kann. Sie tun sich zu
Räuberbanden zusammen und entwickeln sich zur Landplage. Beim nächsten Krieg wirbt man sie aber wieder an, und irgendwann bildet man sie besser aus und nennt sie dann Tufekci/Tüfekschi (siehe
dort). Zwischen den Feldzügen setzt man sie als Eskorten für Wagenzüge ein, und dann sitzen sie auch auf und werden die erste berittene Infanterie (Dragoner), die zum Schießen aber zunächst
absteigt. In der Schlacht setzt man Segban mit Vorliebe als Kanonenfutter ein, es gibt ja mehr als genug von ihnen. Sie bilden die ersten Reihen bei Sturmangriffen (auch auf belagerte Städte)
oder werden dafür eingesetzt, einen Schutzschild für die wertvolleren Truppen zu bilden.
Tufekci/Tüfekschi, bei dieser Truppe scheint man die Fehler erkennt zu haben, die man bei den Segban begangen hat, und reduziert nicht nur ihre Anzahl, sondern läßt ihnen auch eine anständige Ausbildung zukommen. So entwickeln sie sich aus einer ägyptischen Dragoner-Truppe zu einem Scharfschützen-Verband, der dank ausgezeichneter Bewaffnung und Ausbildung über hohe Treffsicherheit verfügt. Da die Güte der Janitscharen ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stetig nachläßt, überträgt man Spezialaufgaben immer mehr den Tufekci. Sie sind den österreichischen leichten Schützen (Füsiliere) nachempfunden und tragen nach Auffassung des BF&S als Nahkampfwaffe ein Rapier oder einen Degen, eine Waffe, die ansonsten in der osmanischen Armee unbekannt war. Die Tufekci sind immer ein kleinerer Sonderverband geblieben.
Bild oben: Dragoner bzw. Baschi Bazouk sowie Akinci, die neuesten von RED BOX
Und was war da noch?
Die Osmanen haben sich - genauso wie ihre Feinde – so einiges vom Gegner abgeschaut. So haben sie sich an Formen von Dragonern versucht, damit zumindest in unserem Zeitraum aber wenig brauchbare Ergebnisse erzielt (die Quellenlage ist außerdem so bescheiden, daß wir hier keine Erkenntnisse anbieten können). – Die Baschi Basuks/Bashi Bazouk scheinen die erste irreguläre Reiterei gewesen zu sein, die sich bereits in unserer Epoche mit Musketen ausgestattet hat, aber auch hier sind wir wiederum rein auf Vermutungen angewiesen. – Fest steht, daß die osmanische Infanterie nie Piken eingesetzt hat, obwohl sie gegen österreichische Piken- und Musketen-Regimenter oft genug ins Hintertreffen geraten ist. Aber sie haben im Nahkampf Hellebarden, Stieläxte und vor allem den Berdysch eingesetzt (verwandt mit dem deutschen „Barte“). Die Axt mit der großen, halbkreisförmigen Klinge kennt man vor allem von russischen Strelitzen, und die scheinen die Osmanen sich einfach abgeschaut zu haben, aber auch möglich, daß sie selbst solche Stücke entwickelt haben. – Wenn ein besonders großes Heer zu einem Feldzug zusammengekommen ist, ziehen darin Truppen aus allen drei Erdteilen mit. Auch Araber auf Kamelen, und für die kann man wunderbar ein Paket (viel mehr waren das ja auch im Verhältnis nicht) HÄT-8250 Taaishi Kamelreiter einsetzen, um einen Blickfang zu bekommen. - Unsere Hauptquelle für diese Folge, das Regelbuch „By Fire & Sword“ spricht bei Regimentern von Cemaat, und dieser Begriff begegnet uns in diesem Zusammenhang nur hier. Cemaat ist eigentlich eine religiöse Gemeinschaft, und zumindest die Janitscharen waren dem Derwischtum zugewandt, aber leitet sich daraus auch ein militärischer Verband ab? - Das osmanische Heerwesen bleibt spannend und hält noch viele Fragen für uns offen. Wir hoffen, daß wir in einigen Jahren über ausreichend neue Erkenntnisse verfügen, um uns wieder diesem Thema zuwenden zu können.
Bild oben: Und hier nochmal (fast) alle im Überblick.
ARTILLERIE
Wie bei so vielen anderen Waffengattungen auch, beginnt sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die osmanische Artillerie zu
verschlechtern und gegenüber der europäischen zurückzufallen. Nachdem die türkische Artillerie in früheren Zeiten für alle Neuerungen offen gewesen ist, verschläft man jetzt so manche
Entwicklung. Das Hauptgewicht liegt weiterhin auf den schweren und überschweren Belagerungsgeschützen, wohingegen die Feld-Artillerie nur die zweite Geige spielt. Letztere krankt ebenso an der
mangelnden und vernachlässigten Standardisierung der Kanonen, auch wenn nicht mehr jedes Geschütz ein Unikat ist. Das Zusammenspiel mit den anderen Waffengattungen klappt noch immer nicht sehr
gut, und die Beweglichkeit der einzelnen Stücke ist längst nicht mehr beispielgebend. Die Türken haben sich auch auf diesem Gebiet auf den Grundsatz Masse statt Klasse verlassen und immer mehr
Kanonen ins Feld geschickt. In der Feldschlacht sind dies leichte und mittlere Geschütze.