Samstag, 17. Juni 2017
Bild links: Miliz (aber nur die Stangenwaffen und Armbrüste)
http://thegreatitalianwars.blogspot.de/2013/07/battke-of-agnadello-1509.html
Venezianische Flagge
Schlachtbericht
Agnadello liegt an der Adda und südlich von Mailand und Bergamo. Am 14. Mai 1509 wurden die beiden Armeen einander ansichtig. Die Venetianer der Nachhut entdecken den Gegner zuerst und stellen ihre Einheiten in das Bett eines ausgetrockneten Waldbaches, das zusätzlich von einem Damm geschützt wird. Gleichzeitig bringen sie auf dem Damm 6 Geschütze in Stellung. Zusätzlich 400 Panzerreiter und einige hundert Stradioten. Im zweiten Treffen stehen 5000 Mann Pikeniere und Milizen, allesamt Männer, die erst vor wenigen Tagen eingezogen worden sind, dazu 400 Panzerreiter und 200 leichte Reiter. Dahinter werden die restlichen Truppen auf einem Hügel angeordnet, mit einer weiteren Batterie von 14 Geschützen, und die Kavallerie hält sich etwas abseits, heraus aus dem Feuer der feindlichen Kanonen und Gewehre. Im Bachbett stehen die sognannten „Romagnoli“ (auch andere Schreibweisen), bis zu 3000 Pikeniere aus der Landschaft Romagna in Venedigs Diensten, und venezianische Pikeniere aus Padua und Treviso.
Bild links: Panzerreiter
Als erste greifen die Schweizer der französischen Vorhut diese Stellungen an, werden aber von den venezianischen Kanonen und Arebusen abgewiesen. Danach reiten die französischen Panzer- und Lanzenreiter an und werden ebenfalls verlustreich zuückgeschlagen. (Nach anderen Darstellungen greifen erst die Reiter und dann die Schweizer Piken an.) Alviano, der venezianische Kommandant, ruft den Grafen von Pitigliano zu Hilfe, der mit seinen Truppen noch auf dem Marsch ist. Doch der zögert und sagt sich, daß es wohl klüger wäre, seine Armee noch eine Weile in Reserve zu halten. Alviano kann nur seine eigenen Reserven heranführen, einige venezianische Reiter und Fußsoldaten. (Bei einem Autor befiehlt Pitigliano als venezianischer Oberbefehlshaber seinerseits Alviano, die Kampfhandlungen einzustellen und sich zu ihm zu begeben.)
Nachdem die Gegner erst einmal abgeschlagen sind, unternehmen die Italiener einen Gegenangriff und steuern die französische Artillerie an, deren Kanonen in 200 Metern Entfernung von dem Bachbett aufgestellt sind. 200 Meter deshalb, weil diese Entfernung als gerade noch hinreichender Schutz gegen Infanterie-Angriffe und gleichzeitig aussichtsreichste Distanz für Treffer gilt (die Treffgenauigkeit der Kanonen jener Zeit ist selbst aus dieser Entfernung nicht sehr genau). Dennoch zermürbt das Geschützfeuer die noch wenig schlachterfahrenen Venezianer Nach einer französischen Salve stürmen sie aus reinem Selbsterhaltungstrieb aus ihrem Graben und rennen mit dem Schlachtruf „Marco! Italia!“ los. Marco steht für den Evangelisten Markus, den Schutzpatron Venedigs, und „Italia“ … viele Gelehrte bezweifeln, daß Italien als Nation, für die es in den Kampf zu ziehen lohnt, bereits im allgemeinen Bewußtsein verankert gewesen sei. Venedigs Interessen lagen auch ganz gewiß nicht in Italien, sondern im Ausland.
Bild links: Venezianische und Romagnoli Piken, Milizen, Schützen in 3 verschiedenen Sätzen
Doch kurz bevor die Venezianer die Geschütze erreichen, trifft sie eine weitere Salve. Gleichzeitig tauchen an ihrer einen Flanke französische Reiter auf und preschen in ihre Reihen. Und mehr noch, ein Schweizer Geviert dringt von der anderen Flanke auf sie ein. Die Italiener stehen zusätzlich unter dem Dauerfeuer der Armbrust- und der Arkebusen-Schützen (hier werden verschiedentlich Gascogner genannt, obwohl die allgemein als Armbruster gelten; sollten sie umgesattelt haben?), die zu deren Schutz zwischen den Geschützen sehen. Von drei Seiten bedrängt, drohen die Venezianer unterzugehen. Alviano schickt seine Lanzenreiter in die Schlacht, und für einen Moment (die Schlacht dauert drei Stunden) sieht es so aus, als könnten die Venezianer doch noch den Sieg für sich davontragen. Schon ziehen die Franzosen ihre Kanonen nach hinten, um sie nicht dem Feind überlassen zu müssen.
Bild links: Stradioten in zwei Sätzen
Der französische König aber eilt mit dem Rest seiner Armee rasch heran, die Venetianer sehen sich einer ständig stärker werdenden Übermacht
gegenüber und geraten in Unordnung. Je stärker sie wanken, desto höhere Verluste erleiden sie. Schließlich brechen französische schwere Reiter durch den rechten Flügel der Venezianer und greifen
die große Batterie an. Die Italiener lassen die Kanonen im Stich, und die Franzosen drehen die Geschütze und schießen auf die Venezianer. Die Romagnoli werden bis auf den letzten Mann
niedergemacht. Die Reiter Alvianos (seine Lanzenreiter) bleibt ebenfalls standhaft im Kampf gegen die französischen Panzerreiter, und fast wäre es ihnen gelungen, bis zum französischen König
vorzudringen. Doch sie sind zu wenige, um den letzten Vorstoß durchführen zu können. Die Milizen auf dem linken Flügel, allesamt Bauern aus dem Umland Venedigs (hauptsächlich Padua und Friaul),
brechen unter dem Ansturm eines Piken-Gevierts und Artilleriebeschuß zusammen und rennen um ihr Leben. Ebenso ergreifen die 360 Milizsoldaten eines gewissen Giacomo die Flucht, noch ehe der Feind
heran ist.
Bald bricht die gesamte venetische Front zusammen, und alle wenden sich zur Flucht. Wer nicht erschlagen oder gefangengenommen wird, setzt sich ins Umland ab. Auch Pitigliano kann keine Hilfe mehr leisten, seine eigenen Soldaten schließen sich den Fliehenden an und rennen ebenfalls davon. (Die Franzosen erbeuten angeblich 36 Geschütze, ein Beleg dafür, wie auch solche Zahlen manipuliert werden.)
Bild links: Schweizer Pikeniere
Eigentlich war es aber ganz anders …
Wir haben an einigen Stellen gegenteilige Darstellungen eingefügt, um dem geneigten Leser zu zeigen, wie sehr man kaum einer Aussage uneingeschränkt trauen darf. Wer Sinn für bösen Humor hat, wird deshalb verstehen, wie sehr uns folgender Text in Heiterkeit versetzt hat, den wir auszugsweise hier wiedergeben. Ein gewisser „losart“ veröffentlichte am 25.8.2008 auf der Forum-Seite Renaissance Wars bei TMP (The Miniatures Page) folgenden Post.
„Ich wohne ein paar Kilometer vom Schlachtfeld (Agnadello) entfernt und kenne die Stelle (aus eigener Anschauung) sehr gut. In diesem Teil Italiens ist alles flach und hier zusätzlich sumpfig. Die Flüsse der Gegend – Adda, Serio und Oglio – hatten (vor einigen Jahrhunderten) noch einen anderen Verlauf als heute und haben einen morastigen See gebildet … Die einzige Erhebung weit und breit ist 3-4 Meter hoch und mag 1509 etwas höher gwesen sein, war aber gewiß nicht als Hügel anzusprechen.
Außerdem glaube ich nicht an Weinreben, Weinstöcke oder gar Weinberge. Der Boden hier steckt voller Abflußkanäle und Wassergräben (kein idealer Grund für Weinbau). Heute wird das Terrain für Getreideanbau genutzt … „
Bild links: Schweizer Arkebusiere (und nur die)
Ist es nicht wunderbar?
„Losart“, der einen Führer für die 500-Jahrfeier der Schlacht geschrieben hat, sieht nur „Romagnoli“ im Bachbett, und Alviano habe ihnen den Gegenangriff befohlen, und sie hätten auch gleich Folge geleistet. „Losart“ schließt daraus, daß das trockene Bachbett nicht sehr tief gewesen sein kann und hier wohl auch kein Damm aufgeschüttet war; andernfalls hätten die Pikeniere hinausklettern und sich dann wieder formieren müssen, ein zeitaufwendiges und umständliches Unterfangen. Der Autor beläßt die Milizen in ihren Stellungen, weil sie unentschlossen sind. Deswegen sei dann letztendlich der Gegenangriff der Romagnoli gescheitert, der Rest der Armee sei ihnen nicht gefolgt. Und so weiter und so fort …
Wenn man bedenkt, daß sich die gesamte britische Militärgeschichts-Forschung, weltweit dominierend, in ihrer Verarbeitung der Schlacht bei Agnadello auf Francsco Guicciardinis Werk „Storia d'Italia“ beruft, beziehungsweise dessen englischsprachige Übersetzung „The History of the Wars in Italy“ von Austin Parke Goddard bezieht, bei dem Weinreben und alles andere vorkommen … und dies ohne das alles einmal kritisch hinterfragt zu haben ... dann möchte man mit dem Kopf schütteln, oder gleich wieder anfangen zu lachen.
Nächstes Mal schauen wir uns die Nachgestellte Schlacht von Agnadello an.